Nicht für das Klima, sondern für die Geldbörse

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Der Schlüssel zu lukrativer und erfolgreicher Klimapolitik sei Energieeffizienz, sagt die IEA. Neue Lampen und bessere Autos würden sich nach wenigen Jahren rechnen. Ohne Klimaabkommen oder CO2-Steuer.

Wien. Es ist still geworden um den Klimawandel. Mitten in einer Schwächephase der Weltwirtschaft klingt die Forderung nach weniger CO2 in der Luft wie vermeidbarer Luxus. Da hilft es auch wenig, wenn die Weltbank Horrorszenarien entwirft, um die Welt wachzurütteln. Steigt die Temperatur auf der Erde um vier Grad, wären die Folgen für Entwicklung und Wohlstand verheerend, heißt es in einer aktuellen Weltbank-Studie. Gerade die Ärmsten würden am stärksten getroffen. Südlich der Sahara wären etwa Ernteausfälle am deutlichsten zu spüren. Gefolgt von China und den USA. Schon 2006 schätzte der Ökonom Nicholas Stern die Kosten des Klimawandels auf etwa ein Fünftel der globalen Wirtschaftsleistung.

Doch im Moment veranlassen solche Zahlen die wenigsten Politiker, die Umstellung des Energiesystems von fossilen auf erneuerbare Energien zu forcieren. Sie stecken lieber Milliarden in den Aufbau der Wirtschaft. Das ist gar keine schlechte Nachricht, meint nun die Internationale Energieagentur (IEA) in ihrem diesjährigen „World Energy Outlook“. Denn der Kampf gegen den Klimawandel und eine prosperierende Wirtschaft müssten kein Gegensatz sein. Im Gegenteil.

Grüne Scheine statt grüner Bäume

Die meisten Maßnahmen, die ein besseres Klima versprechen, bringen mehr Geld, als sie kosten. Statt skeptische Regierungen weiter erfolglos zu bindenden Reduktionszielen zu drängen, müsse ihnen der Kampf gegen den Klimawandel in einer Sprache schmackhaft gemacht werden, die überall verstanden wird: Nicht mit grünen Bäumen, mit grünen Scheinen muss argumentiert werden.

Den Schlüssel zu lukrativer und erfolgreicher CO2-Reduktion sehen die Autoren in der Frage, wie wir mit Energie umgehen. Energieeffizienz könnte 2035 für 68 Prozent der eingesparten CO2-Emissionen sorgen. Dafür müssten sich die jährlichen Investitionen in diesen Bereich um 122 Milliarden Euro fast verdoppeln. Das Gute sei aber: Jeder einzelne Euro rechne sich. Ganz ohne CO2-Steuer, Handel mit Emissionsrechten oder internationale Klimaabkommen. Das größte Potenzial ortet die IEA im Verkehrssektor. Hier müssten die Ausgaben um 41 Prozent steigen, um alternative Antriebsarten, Hybridmotoren oder leichtere und damit spritsparende Modelle voranzutreiben. Für Europäer werde jedes Auto dadurch im Jahr 2035 um 1600 Euro teurer werden. Umgekehrt werde sich diese Investition aber in vier Jahren rechnen (siehe Grafik).

Der zweite große Brocken liegt im Gebäudebereich. Manche Maßnahmen, wie etwa der Austausch von alten Glühbirnen oder Elektrogeräten, zahlen sich hier schon in zwei Jahren aus. Wer sein Haus komplett sanieren will, muss weitaus länger warten, um das Geld „zurückzusparen“. In Industrieländern sind es über 14 Jahre. Bei weniger entwickelten Staaten geht es deutlich schneller. Das ist auch der besondere Charme des IEA-Vorschlags. Statt aufstrebende Schwellenländer weiter mit CO2-Einsparungszielen zu verschrecken, würden sie über schnellere Rendite zu mehr Energieeffizienz verlockt.

Verpuffen Effizienzgewinne?

Die Idee hat aber auch einen Haken, der Ökonomen unter dem Begriff „Rebound-Effekt“ wohlbekannt ist. Je effizienter ein Produkt ist, desto billiger wird dessen Nutzung. Dadurch steigt der Konsum. So sind Automotoren heute etwa deutlich effizienter und sparsamer als noch vor zwanzig Jahren. Der Spritverbrauch hat sich jedoch kaum verändert. Der Effizienzgewinn hat lediglich größere und schwerere Modelle ermöglicht. Die IEA weiß um die Schwäche ihres Modells, schätzt die Auswirkungen aber sehr gering ein. Nur neun Prozent der Einsparungen würden durch den Rebound-Effekt verschwinden, schreiben die Autoren. Ein optimistischer Wert. Bester Weg, um Mehrkonsum zu vermeiden, sei es, die Preise für Endkunden konstant zu halten.

Warum Maßnahmen in mehr Energieeffizienz, obwohl sie sich de facto selbst finanzieren, oft nicht durchgeführt werden, erklärt IEA-Chefökonom Fatih Birol mit fehlenden politischen Voraussetzungen in vielen Ländern. „Unternehmen schauen weltweit auf hohe Energieeffizienz. Das Problem sind die hohen Anschaffungskosten für Konsumenten.“ Hier sei in der Regel eine staatliche Unterstützung im Sinne von Anschubfinanzierung oder Steuererleichterung notwendig. „Viele Regierungen sind nicht organisiert genug, um das zu schaffen“, so Birol.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.12.2012)

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