Studie: Wetterextreme nehmen doch nicht zu

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Langzeituntersuchung bringt überraschendes Ergebnis. Hitze, Sturm und Unwetter heute in den Alpen nicht häufiger als früher. Insgesamt gesehen wird das Alpenwetter aber wärmer.

Wien/Awe. Egal, ob Schneefall, Starkregen, Sturm oder Trockenheit: Nach jedem auffälligen Wetterereignis erklären Medien und Experten, dass der durch Menschen verursachte Klimawandel der Grund für die Häufung von Extremereignissen in unmittelbarer Vergangenheit und absehbarer Zukunft ist. Hinterfragt hat die Erklärung noch kaum jemand.

Bis auf einen. Reinhard Böhm ist Klimatologie an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Wien. Für seine jüngste Forschungsarbeit wertete er bis zu 250 Jahre alte Wettermessdaten des Alpenraums aus. Das Ergebnis hat ihn selbst überrascht. Die Kernaussage: Eine Häufung von Wetterextremen, verursacht durch den Klimawandel, konnte – zumindest im Alpenraum – nicht festgestellt werden.

Böhms Forschungen stehen im zum Teil krassen Gegensatz zu den Äußerungen von Politikern, Umweltschützern, Journalisten und Klimatologen. Das Medienarchiv ist voll mit Meldungen über die angebliche Häufung von Naturkatastrophen, „verrückt spielendem“ Wetter und angeblich immer häufiger werdenden Extremen. Was darf man nun glauben?

Böhm spricht es nicht direkt aus, weist jedoch auf die weltweit wohl einzigartige Qualität seiner weit in die Vergangenheit zurückreichenden Messdaten hin. Für 58Orte im Alpenraum liegen der ZAMG objektivierte und miteinander vergleichbare Aufzeichnungen über Temperatur, Luftdruck und Niederschlagsmenge vor. Manche davon stammen noch aus dem Jahr 1760.

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Kritik an Untergangspropheten

Als Maß für die „Verrücktheit“ des Wetters zieht Böhm die Abweichung der Messwerte bei Wetterereignissen vom Durchschnitt (siehe auch Grafik) heran. Den untersuchten Alpenraum unterteilte er in drei unterschiedliche Klimaregionen (südlich, nordwestlich und nordöstlich des Alpenbogens). Die Kurven zeigen deutlich, dass die Abweichungen nach oben (und unten) in allen Regionen schon einmal höher waren.

„Unbestritten ist für mich nur, dass wir derzeit durch eine Phase der durch den Menschen verursachten Klimaerwärmung gehen“, sagt Böhm im Gespräch mit der „Presse“. Das hat zur Folge, dass Wärmeereignisse (Hitze) leicht zu-, Kälteperioden aber noch stärker abnehmen. „Die Schwankungen, die wir als Extreme wahrnehmen, werden also weniger.“ Das Gleiche gilt für die Niederschlagsmengen und den Luftdruck, in dessen Messwerten sich die Sturmereignisse abbilden.

Aber wie erklärt sich der Wissenschaftler den gegenteiligen, öffentlichen Mainstream? Zum einen erwecke überregionale, manchmal sogar globale Berichterstattung über lokale Wetterereignisse den Eindruck, dass sich diese häufen. Zum anderen lasse die Qualität der (historischen) Daten mancher Meteorologen zu wünschen übrig.

Zudem spart Böhm nicht mit Kritik an der Öffentlichkeitsarbeit mancher Kollegen. „Um die Welt vor dem Klimawandel zu retten, braucht man Aufmerksamkeit. Behauptungen, dass die Zunahme der Temperatur mit der Zunahme von Wetterextremen einhergeht, sind zwar wunderbar für das eigene Marketing, entsprechen aber nicht der Realität.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2012)

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