Kundenkarte ist das neue Guten Tag

Kundenkarte?
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Rettungsgasse ist das Wort des Jahres. Es gab schon mal originellere Sieger.

Rettungsgasse ist das Wort des Jahres. Es gab schon mal originellere Sieger. Abgesehen davon, würde die Forschungsstelle für Österreichisches Deutsch nicht per Internet darüber abstimmen lassen, sondern einfach die quantitative Häufung eines Begriffs als Entscheidungsgrundlage heranziehen, hätte ein Wort seit Jahren mit Abstand die Spitzenposition inne: Kundenkarte.

Gerade in der vorweihnachtlichen Einkaufszeit wird immer deutlicher, wie sehr dieser Begriff unser Leben schon im Griff hat. Denn kaum liegt die Ware auf dem Förderband, hebt die Kassierin oder der Kassier bereits die Stimme zum monoton vorgetragenen Viersilber. Kundenkarte ist das neue Guten Tag.

Was in den Supermarktketten begann, hat mittlerweile so ziemlich jedes Unternehmen erreicht, das mehr als nur eine Filiale hat. Die Geldtasche hat dieser Umstand schon zu einer Breite in der Dimension einer mittleren Habilitationsschrift anwachsen lassen. Und ja, man muss eine Karte für jedes einzelne Geschäft haben. Denn als kommunikativer Mitbürger will man ja nicht unhöflich sein – schließlich hat die mit zwei spitzen Fingern in Kopfhöhe gehaltene Karte, verbunden mit einem stummen Schielen in ihre Richtung, die Stelle des Gegengrußes eingenommen.

Würde die Kassenkraft nicht noch in genau jenem Moment, in dem man leicht hilflos all das Gekaufte hektisch in den Plastiksack räumt – und schon die ersten Beutestücke des Nachfolgers vom Fließband herunterpurzeln –, ein schnelles „Wiedersehen“ murmeln – man hätte sich jegliches Grüßen gespart. Vielleicht lassen sich die Marketingabteilungen der Supermärkte hier ja auch noch eine Lösung einfallen, um althergebrachte Höflichkeitsfloskeln effizienter zu gestalten – eine rote Karte, vielleicht? Verbunden mit dem Geräusch einer Trillerpfeife. Sie dürfen jetzt gehen, der Nächste, bitte. „Kundenkarte!“

E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2012)

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