Kleine Erniedrigung zum Frühstück

(c) Erich Kocina
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Eine Einladung zum Essen kann sich schnell vom Vergnügen zu einem kleinen Akt der Demütigung wandeln.

Dann etwa, wenn die Gastgeberin sich als wandelnder Imperativ entpuppt und der Besucher sich nach den Worten „Herkommst!“, „Anziehst!“ und „Spargel schälst!“ plötzlich in einer Küchenschürze wiederfindet. Selbst aufmunternde Worte, wie sexy Männer damit aussähen, können nichts daran ändern, dass man sich wie ein unfreiwilliger Jamie Oliver-Klon fühlt. Fehlt nur noch die Kamera, in die man kulinarische Superlative plappern muss.

Gut, ein gewisser Hang zur kleinen Demütigung steckt ja in jedem von uns. Jede Fernreise mit dem Flugzeug etwa gerät am Flughafen zu einem Anfall gewollten Selbstmobbings – Taschen entleert, Gürtel aus den Schlaufen gezogen und statt mit Schuhen darf man mit Plastiksäcken an den Füßen durch den Metalldetektor wandeln. Längst sind diese Erniedrigungen Teil eines jeden Urlaubs. So wie auch die Auswahl des Essens im asiatischen Urlaubsort. Gekonnt werden die drei Chilischoten in der Speisekarte ignoriert, wie auch die Nachfrage des Kellners – „you know, it's spicy!“. Wenn er das Menü wieder an sich nimmt und ein mitleidig-wissendes Grinsen aufsetzt, weiß man, dass man verloren hat, dass die Servietten am Tisch wohl nicht ausreichen werden, um die Schweißperlen beim Essen von der Stirn zu tupfen. Aber das gehört zum Spiel, die körperlich-kulinarische Demütigung als Urlaubserinnerung, die später zum Heldenmythos wird.

An Heldentaten wie diese lässt es sich vortrefflich klammern, während man in der Küchenschürze auf ein schnelles Ende hofft – und dass die Gastgeber bei einer Einladung zum Frühstück nicht auf die Idee kommen, den Gast in einen Pyjama zu stecken.


erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2009)

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