Von Schlachthausbrücke bis Heldenplatz: die Benennung öffentlicher Orte – und ihre Haltbarkeit.
Sicher, keiner von uns wird jünger. Aber dass 18 Buchstaben genügen könnten, mich selbst, Jahrgang 1958, umgehend über das Pensionsantrittsalter hinaus Richtung Überschreitung der durchschnittlichen Lebenserwartung zu katapultieren, hat mich denn doch überrascht. Seinesgleichen widerfuhr mir vergangenen Mittwoch, da nämlich verwendete ich an dieser Stelle einen Begriff, der mich unstreitig als Mitglied meiner eigenen Eltern-, wenn nicht gar Großelterngeneration auszuweisen schien: Schlachthausbrücke.
„Meint Herr Freitag nicht doch die Stadionbrücke?“, fragte ein Leser in die Online-Posterrunde, und kein Zweifel, er hatte recht: Das Tragwerk, das in meinem Bewusstsein seit Kindestagen als Schlachthausbrücke den Donaukanal überspannt, ist offiziell Stadionbrücke benannt; und zwar nicht seit gestern, vielmehr seit sage und schreibe 80 Jahren, als die alte Schlachthausbrücke einer neuen Stadionbrücke an selber Stelle wich.
Warum mir trotzdem Schlachthausbrücke ohne jedes Zögern über die Tastatur kam? Vielleicht, weil Namen solcher Art mitunter eine deutlich längere Haltbarkeit aufweisen als die ihnen amtlicherseits zugestandene. So ist die Kennedybrücke vielen noch immer als Hietzinger Brücke geläufig; der Bahnhof „Wien Mitte“ ist stets der Bahnhof Landstraße geblieben und darf mittlerweile als Bahnhof „Wien Mitte – Landstraße“ ein Kompromissdasein fristen.
Auch die fallweise geäußerte Idee, den Heldenplatz anders zu benennen, scheint nicht eben aussichtsreich: Der Name Heldenplatz hat sich über Jahrzehnte aus dem Alltagsgebrauch durchgesetzt, die Weihen der Amtlichkeit hatte er dazu nicht nötig – die ereilten ihn erst in der Zweiten Republik. Man könnte es für eine Errungenschaft halten: Helden auf Straßenschildern zu haben – statt auf den Schlachtfeldern der Welt.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2017)