Warum ein Davidstern über der Hubergasse schwebt

Erinnerungszeichen: Lichtinstallation „OT“, Hubergasse 8.
Erinnerungszeichen: Lichtinstallation „OT“, Hubergasse 8.(c) Freitag
  • Drucken

Der Hubertempel, das Novemberpogrom und das Wien der 1970er: Lokalgeschichte, etwas anders.

Hubergasse 8, Wien Ottakring. Ein x-beliebiger Wohnbau von herbem 1970er-Charme. Im Erdgeschoß ein Pensionistenklub, obendrüber gelb getünchtes Lochfassadeneinerlei samt den unvermeidlichen Loggien, teils verglast. So weit, so ortsüblich. Vor der Front freilich strahlt's seit Kurzem des Abends bis gegen zehn hell und klar ins sonst eher düstere Quartier. Eine Lichtinstallation des gebürtigen Klagenfurters Lukas Maria Kaufmann, Jahrgang 1993, durchdringt das Dunkel hinter dem Yppenplatz Nacht für Nacht für ein paar Stunden: zur Erinnerung an den Hubertempel, der einst unter der Adresse Hubergasse 8 zu finden war.

Die Hubergasse ist nicht der einzige Ort in Wien, an dem eine von Kaufmanns Lichtskulpturen, einen in sich verflochtenen Davidstern vorstellend, im Stadtraum schwebt. Auch in 23 weiteren Straßen und Gassen der Stadt erinnern sie an Synagogen, die „im Novemberpogrom 1938 mutwillig zerstört wurden“, so die Projektbeschreibung: in Simmering geradeso wie in Atzgersdorf, in der Brigittenau oder in Favoriten und immer wieder in der Leopoldstadt. „OT“ nennt sich das vom Jüdischen Museum Wien erdachte und in Kooperation mit der Universität für angewandte Kunst durchgeführte Projekt, das bleibende Erinnerungszeichen an eines der beschämendsten Ereignisse hiesiger Lokalgeschichte schaffen soll.

Einer Lokalgeschichte, die im Fall des Hubertempels eine besondere Wendung genommen hat: Der überstand Plünderung und Brandschatzungen der Nationalsozialisten, was die bauliche Substanz betrifft, so weit unbeschadet, dass er anschließend als Lagerhalle Verwendung finden konnte. Der erbärmliche Vorzug, seinen Abriss verantwortet zu haben, gebührt der schon reichlich zweitrepublikanischen Stadtverwaltung der 1970er. Auch das ist Wien.

E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2018)


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.