Was Regierenden in Wien alles passieren kann

Wien und der Kaiser: Gedenktafel am MAK, stadtparkseitig.
Wien und der Kaiser: Gedenktafel am MAK, stadtparkseitig.(c) Wolfgang Freitag
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Der Streit zwischen Bund und Bundeshauptstadt, eine Gedenktafel am MAK und das Jahr 1462.

„Regierung teilt gegen Wien aus“, „Stadt Wien brüskiert die Regierung“, der Streit zwischen Bund und Wien „spitzt sich zu“, „eskaliert“, „läuft völlig aus dem Ruder“: Dass es um das Verhältnis zwischen dem Bund und seiner Bundeshauptstadt dieser Tage nicht zum Besten steht, scheint angesichts dieser und ähnlicher Meldungen unbestreitbar. Allerdings: Was sich die Herren Kurz, Strache und Ludwig auch immer gegenseitig ausrichten mögen, verglichen mit den Ereignissen, an die eine Gedenktafel am Wiener Museum für angewandte Kunst erinnert, nimmt sich der zum Gemetzel hochgeschriebene Disput wie ein Kaffeeplausch aus.

„Mittwoch den 12. August 1461 schlugen an dieser Stelle die Bürger Wiens den Angriff des aufständischen Herzogs Albrecht VI. zurück und erwarben sich dadurch das Recht, den Doppeladler im Stadtwappen zu führen“, steht an der stadtparkseitigen Fassade zu lesen. Und tatsächlich, das taten sie, die Bürger Wiens: Sie verteidigten Wien gegen Albrecht, den aufmüpfigen Bruder ihres Kaisers, Friedrichs III., wofür der Kaiser sie doppeladlermäßig ehrte. So weit, so regententreu.

Wovon die Tafel aus der Blüte des hiesigen Kaiserkults, der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, naturgemäß nichts erzählt: dass die Stimmung in der Bürgerschaft in den Folgemonaten alsbald zugunsten Albrechts umschlug, ja dass der Kaiser, nach Wien geeilt, in der eigenen Hofburg über Wochen des Spätherbsts 1462 regelrecht von Bürgern Wiens belagert wurde und ein ganzes Entsatzheer nötig hatte, um wieder freizukommen.

Zugegeben, es fällt einigermaßen schwer, sich Vergleichbares mit dem Politikpersonal von heute vorzustellen. Aber ehrlich gesagt: Wer wollte das bedauern? Glücklich die Zeiten, deretwegen man späterhin keine Gedenktafeln montieren muss.

E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2019)

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