Du sollst beim Abschied nicht Tschüss sagen

Häufig verwenden wir Grußformeln, in denen noch ein Rest Gottes vorhanden ist, aber nicht ausgesprochen wird.
Häufig verwenden wir Grußformeln, in denen noch ein Rest Gottes vorhanden ist, aber nicht ausgesprochen wird.(c) APA/AFP/CHRISTOPHE SIMON
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In vielen Grüßen steckt Gott drin, auch wenn das heute längst nicht mehr jedem bewusst ist.

Das „Grüß Gott“ wird ja gelegentlich zur Glaubensfrage gemacht. Und ja, es gibt genügend Menschen, die das „Guten Tag“ aus ideologischen Gründen verwenden, um den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen. Aber noch viel häufiger verwenden wir Grußformeln, in denen noch ein Rest Gottes vorhanden ist, aber nicht ausgesprochen wird. Und wenn schon die Verteidiger des österreichischen Idioms das Verschwinden des „Grüß Gott“ orten, widmen wir uns doch gleich der norddeutschen Verabschiedung, die von vielen immer noch als Eindringling ins Österreichische betrachtet wird: „Tschüss!“ Das ist nämlich alles andere als gottlos, kommt es doch ursprünglich vom lateinischen „ad deum“ – hin zu Gott, also. Das hat sich in verschiedene Sprachen durchgeschlagen, etwa als „Adieu“ im Französischen. Im Deutschen wurde daraus unter anderem das heute etwas antiquierte „Ade“. Und über den Umweg der wallonischen Variante, wo aus dem „Adieu“ ein „adjuus“ (ausgesprochen adjüüs) wurde, kam schließlich auch das „Tschüss“ in den deutschen Sprachraum, und hier eben vor allem im Norden. Wer sich mit „Tschüss“ verabschiedet, schleppt also einen Gottesrest mit.

Einem österreichischen Äquivalent zum „Tschüss“ geht es ähnlich: Denn „Pfiat di“ ist die Kurzform zu „Behüte dich (Gott)“. So wie auch bei „Grias di“ im Original noch ein Gott angehängt ist. Und das „Grüße dich Gott“ ist der Ursprung des „Grüß Gott“, wie wir es heute kennen. Damit ist klar, dass der Imperativ nicht an den Gegrüßten gerichtet ist – „He, du, begrüße den Gott, aber flott!“ –, sondern Gott selbst angesprochen wird, dass er den zu Grüßenden grüßen möge. Das ist wohl auch bei der Sie-Form mit „Grüß Sie Gott“ so, nur, dass das „Grüß Sie“ gern profanisiert zum „Ich grüße Sie“ gemacht wird: „Ich grüße Sie Gott“ wäre dann wirklich komplett gaga. Und nein, das ist keine Glaubensfrage.

E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2019)

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