Würden Sie mich bitte heftig an die Kandare nehmen!

Nur zur Sicherheit für alle, die beim genaueren Nachfragen, was man sich denn unter einer Kandare vorstellen soll, ins Stammeln geraten – das Wort bezeichnet eine Gebissstange, die zum Zaumzeug des Pferds gehört und die mit den Zügeln verbunden ist
Nur zur Sicherheit für alle, die beim genaueren Nachfragen, was man sich denn unter einer Kandare vorstellen soll, ins Stammeln geraten – das Wort bezeichnet eine Gebissstange, die zum Zaumzeug des Pferds gehört und die mit den Zügeln verbunden ist(c) REUTERS (Reuters Staff)
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Was soll eine Kandare überhaupt sein? Um das zu erklären, kann ich mich kaum im Zaum halten . . .

Vergangene Woche war die Rede davon, dass die ÖVP die FPÖ an die Kandare nehmen will. Und ja, man weiß schon so circa, was die Redewendung bedeuten soll. Nur zur Sicherheit für alle, die beim genaueren Nachfragen, was man sich denn unter einer Kandare vorstellen soll, ins Stammeln geraten – das Wort bezeichnet eine Gebissstange, die zum Zaumzeug des Pferds gehört und die mit den Zügeln verbunden ist. Im Gegensatz zur Trense, die in der Mitte ein Gelenk hat, ist die Kandare starr – mit ihr kann man mehr Druck ausüben, und sie soll nur von erfahrenen Reitern eingesetzt werden. Der Begriff selbst kommt aus dem Ungarischen, wo kantár für Zaum steht (ursprünglich dürfte es einen turksprachlichen Ursprung haben). Womit wir bei einem hübschen Wort wären, das wir im Alltag gern verwenden. Das Riemenzeug am Kopf und im Maul von Zug- und Reittieren hat es unter anderem in die Redewendung geschafft, dass man seinen Zorn nicht mehr im Zaum halten kann – oder auch sein Mundwerk. Dass man sich also nicht beherrschen kann.

Etymologisch ist das Wort aber auch spannend. Denn verwandt mit dem althochdeutschen zoum (Lenkriemen, Zügel) ist unter anderem auch das altenglische tēam, das vom Riemenzeug den Sprung zum Gespann geschafft hat – aber auch zur Nachkommenschaft, hergeleitet dadurch, dass Zaum etwas ist, mit dem man etwas zieht und übertragen auch erzieht. In weiterer Folge wurde das Team gleich auch für Mannschaft oder Gruppe verwendet. In dieser Bedeutung hat es der Begriff aus dem Englischen auch ins Deutsche geschafft. Die Redewendung, ein Team im Zaum zu halten, lässt das etymologisch interessierte Herz also gleich schneller schlagen. Hoffentlich nicht so schnell, dass man es an die Kandare nehmen muss. Denn das wäre sprachlich dann schon ein etwas schiefes Bild.

E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2019)

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