Der Sommerschnee häuft sich in den Straßenecken

Die Pappeln schicken einen Gruß vom Sommer, der Winter macht sich noch einmal wichtig.

Am Fenster segeln ein paar Schneeflocken vorbei. Sommerschnee. Hier in der Stadt ist der Schnee aus Baumwolle. Die Pappeln haben ihren Flaum losgeschickt, in den Straßenecken sammeln sich mehrere Zentimeter hohe weiße Häufchen. Wenn der Mai heiß ist, sorgen die Pappelsamen vor allem bei Kindern für verzückte Verwirrung. Diesmal sind die Flocken zu nah dran an der Realität.

In den höheren Lagen fiel richtiger Schnee, so viel davon, dass am Hochkar in Niederösterreich die Sommersaison erstmals mit Carven statt Wandern beginnt. Die Bergbahnen haben den Wintermenschen ein Geschenk gemacht und für dieses Wochenende die Pisten präpariert. Die Sommermenschen müssen noch ein bisschen länger überwintern.

Das Stakkato der Regentropfen auf den Schrägfenstern erinnert an die Soundkulisse in der Redaktion. Man erkennt die meisten Kollegen an der Art, wie sie tippen. Es gibt Sommerregen und Wintergewitter, leichtes Nieseln und beruhigenden Schnürlregen. Manchmal folgt auf eine Regenpause plötzliches Geprassel. So klingen Gedanken auf ihrem Weg zum Wort.

Auch der Regen erzählt Geschichten, wenn man Zeit und Ruhe hat zuzuhören. Der Landregen verlangt einem einiges ab, wie ein Roman von Stifter. Dass es früher im Sommer mehr geregnet hat als zuletzt, trifft zumindest für die 1980er- und 90er-Jahre nachweisbar zu. Stundenlang hat man da dem Wasser zugesehen, wie es über die Scheiben lief, und auf den Moment gewartet, in dem sich ein Tropfen nach langem Verharren zu groß geworden in Bewegung setzte. Wie Tränen.

Nach dem Regen kringeln sich die Haare, und die Luft riecht nach Neubeginn. Das Grün wird nun explodieren, nur die Erdbeeren sehen mitgenommen aus. Ein paar erwischt es immer.

E-Mails an:friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2019)

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