Kleine Zornespredigt gegen gedankenlose Anglizismen

Kleine Zornespredigt gegen gedankenlose Anglizismen
Kleine Zornespredigt gegen gedankenlose AnglizismenREUTERS
  • Drucken

Ich tue dies nur widerwillig, das Klischee des grantelnden Kulturgutverteidigers im Blätterwald mögen andere erfüllen, aber hier sitze ich und kann nicht anders, als es laut in die Welt zu schreiben: Menschen können nicht ticken.

Und wenn sie es könnten, den Uhrwerken gleich, dann täten sie es nur in drei streng linearen Dimensionen: langsam-schnell, leise-laut und in regelmäßigen oder unregelmäßigen Zeitabständen. Angesichts dieser Selbstverständlichkeiten regt es mich stets aufs Neue auf, wenn ich in einem deutschsprachigen Druckwerk eine Schlagzeile vom Zuschnitt „So tickt XY“ zu lesen genötigt werde. Es liegt auf der Hand, woher diese Marotte rührt: „to make someone tick“ bezeichnet im Englischen all jene inneren Impulse, welche einen Menschen dazu bewegen, sich auf diese oder jene Weise zu verhalten; also die Gefühle, Meinungen, Sorgen, die Teile der Persönlichkeit sind, um das Merriam-Webster-Wörterbuch zu zitieren. Richtig übersetzt müssten wir Journalisten also schreiben: „Was treibt XY an“, oder „Was bewegt XY“. Ist das so schwer?

Natürlich wäre es grotesk, jede Einwanderung von Wörtern aus anderen Sprachfamilien ins Deutsche abzulehnen; ohne das Lateinische, später das Französische und heute das Englische (als gebürtiger Wiener möchte ich zusätzlich das Ungarische sowie sämtliche slawischen Sprache erwähnen) würden wir wohl recht ungeschlacht auf der linguistischen Thingstätte zotteligen Germanentums vor uns hingrunzen (sollte es Hinterbliebene zotteliger Germanen geben, welche dies lesen und sich, wie es auf Neuenglisch heißt, getriggert fühlen, bitte ich inständigst um Vergebung). Aber ich finde, Sprache ist zu kostbar und zu schön, als sie durch lieblose Aufpropfungen zu verhunzen; damit tut man ja auch der jeweiligen Fremdsprache keinen guten Dienst. Insofern ist es, beispielhaft, wohl kein allzu großer Aufwand, aus dem „Hotspot“ den „Brennpunkt“ zu machen, aus dem „Casting“ die „Talentsuche“ – und, besonders übel, aus dem „Voten“ das „Abstimmen“.

E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.