Die Angst vor der Frage nach dem Lieblingsfilm

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FilmcasinoClemens Fabry
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Nennt man einfach seine Lieblingskomödie, oder lieber einen Film wie „Der Pate", der höchstwahrscheinlich Eindruck hinterlässt? Schließlich will man niemanden enttäuschen.

Das nennt man Selbstbewusstsein. Einst, in einem vollen Zugwaggon, wurde eine Sterneköchin nach ihrer Lieblingsspeise gefragt. Schinken-Käse-Toast, sagte sie ohne zu zögern. Die verdutzten Blicke der Anwesenden, die sich als Antwort etwas, sagen wir, Exotischeres erwarteten, hätten ihr nicht gleichgültiger sein können.

Warum diese Geschichte? Nun, als Filmliebhaber wird man nicht nur regelmäßig nach aktuellen Kinotipps gefragt, sondern oft auch nach seinem Lieblingsfilm, -schauspieler, -regisseur, -genre etc. Und irgendwie – berechtigt oder nicht – hat man das Gefühl, mit seiner Antwort beeindrucken zu müssen.

Wenn man seinen Lieblingsfilm nennen soll, will man nicht „Ace Ventura" oder „Anchorman" sagen – selbst, wenn es so wäre. Sondern lässt schon einmal Streifen wie „Citizen Kane" oder „Schindlers Liste" fallen, obwohl man sie vielleicht gar nicht so mag oder nie zu Ende gesehen hat. Und wie sieht denn das aus, wenn ein Cineast Will Ferrell und Tina Fey als seine Lieblingsdarsteller bezeichnet und nicht Al Pacino und Meryl Streep? Oder die Komödie als sein bevorzugtes Genre, statt Drama oder Thriller?

Tatsächlich wirken die Leute manchmal enttäuscht, wenn die Antworten auf ihre Fragen allzu gewöhnlich oder kommerziell ausfallen. Was ja auch ein Stück weit nachvollziehbar ist. Wenn man einen Musikkritiker nach seiner Lieblingsband fragt, will man auch nicht Backstreet Boys hören. Oder Tic Tac Toe. Und was soll man von einem Literaturkritiker halten, der „50 Shades of Grey" als das beste Buch aller Zeiten betrachtet? Eben, man will so etwas hören wie „Der alte Mann und das Meer". Etwas mit Gewicht. Warum auch immer.

Genau diese Erwartungshaltung ist es, die einen durchaus unter Druck setzen kann. Bis hin zu inneren Konflikten, weil man seinen eigenen Geschmack zu verraten glaubt.

Maßlos übertrieben? Vielleicht. Wahrscheinlich ist alles nur eine Frage des Selbstbewusstseins. Wie bei der Köchin aus dem Zug. Die im Übrigen einen Lehrling dabeihatte. Seine Antwort: Ratatouille. Die Speise, nicht der Film.

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