Von Medien und Märkten

Schwer zu sagen, wann der Journalismusberuf seine Anziehungskraft verloren, ab wann er in Gesprächen nicht mehr Anerkennung und Begeisterung ausgelöst hat.

Ich kenne diese gute alte Zeit nur von Filmen, in denen der Held (Heldinnen gab es in der Vergangenheit ja eher selten) meistens der Reporter war. Und auch die Erzählungen von erfahreneren „Presse“-Kollegen klingen zwar grob gesundheitsschädigend, aber dann doch nach dem Klischee des hippen Journalisten. In vergangenen Zeiten, als der Redaktionssitz noch im Marriott Hotel war (allein das liest sich wie aus einem Drehbuch), wurde am Schreibtisch noch eine Zigarette nach der anderen geraucht.

Wenn mein Gegenüber heute erfährt, dass ich Innenpolitikredakteurin bin, ernte ich hingegen nur noch mitleidige Blicke: Ob das nicht furchtbar frustrierend sei, und ich völlig zynisch werde? Ich kann meine Gesprächspartner dann meistens beruhigen, so ist es absolut nicht. Mein Zynismus ist zuletzt anderen Erfahrungen auf einem Online-Marktplatz geschuldet.

Wer zur Unterhaltung reinschaut, wird zwar fündig werden (eine Kollegin entdeckte dort einen „aufgeweckten Alpaka-Hengst“, aber auch der einsame Dachziegel und Tujen „zum Pflanzen oder Verbrennen“ sind spannend). Aber wer selbst etwas loswerden möchte, und sei es gratis, muss schon etwas Geduld mitbringen: Manche teilen via Nachricht mit, dass sie „sehr enttäuscht“ mit der Beute seien. Denn der Freund, den sie zur Abholung losgeschickt hatten, sei nur mit einem Teil der abfotografierten (und nicht reservierten) Sachen heimgekommen. Auch die Abholzeit wird situationselastisch eingehalten, beliebt sind auch detaillierte Informationen wie „ich fahre jetzt vom Büro los“ –, ohne dazuzuschreiben, wo es sich befindet. Und man bemerkt, welche Gegenstände am beliebtesten sind: Nicht für den Toaster oder Föhn, sondern für eine abgenutzte beige Bauchtasche meldeten sich Dutzende Interessenten. Dabei ist es schon lang her, dass sie in Mode war. Es muss zu Zeiten gewesen sein, als die „Presse“-Kollegen am Schreibtisch rauchten.

E-Mails an: iris.bonavida@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2019)

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