Kolumne zum Tag

Der gefährlichste Ort der Welt muss in Italien liegen

Ständig werden dort Ein-, Ehe- und sonstige Gesetzesbrecher ertappt. Nur wo ist das eigentlich?

Wie oft die Polizei dort schon jemanden aufgegriffen hat, man weiß es nicht. Jedenfalls ist ständig davon zu lesen oder zu hören, dass ein Ein-, Ehe- oder sonstiger Rechtsbrecher in Flagranti erwischt worden ist. Vermutlich ein Ort in Süditalien, möchte man meinen. Eine Mafiahochburg womöglich, und sicher brandgefährlich. Nun, die Lateiner unter uns dürfen den erhobenen Zeigefinger gleich wieder senken, natürlich gibt es diesen Ort nicht wirklich. Die Redewendung aber sehr wohl. Und die kommt, wer hätte das gedacht, aus dem Lateinischen. Das Adjektiv flagrans bedeutet brennend bzw. flammend. Und es begann wohl damit, dass Brandstifter einst in flagranti delicto erwischt wurden, also quasi bei brennendem Verbrechen. Die Redewendung, die sich darauf bezog, dass jemand noch mit dem Zündholz in der Hand angetroffen wurde, breitete sich auch auf andere Taten aus. Und das delicto ging mit der Zeit verloren, sodass am Ende übrig blieb, dass jemand in flagranti, also auf frischer Tat ertappt wurde. Im Österreichischen Wörterbuch und im Duden (versehen mit der Anmerkung „bildungssprachlich“) ist auch noch das Adjektiv flagrant zu finden. Das steht für offenkundig bzw. ins Auge fallend. Das nächste Wort im ÖWB ist übrigens Flagshipstore, was damit gar nichts zu tun hat. Es sei denn, dass jemand dort auf frischer Tat beim Stehlen erwischt wird.

Sehr gerne wird im Deutschen auch die lateinische Phrase „in medias res“ verwendet. Die kommt aus der „ars poetica“ von Horaz, in der er den Stil des griechischen Dichters Homer in der Ilias lobt, dass er nämlich „mitten in die Dinge“ in die Handlung einsteigt, also ohne Umschweife. Man geht mit dieser Phrase also etwas zügig an – man sollte sie nur richtig verwenden. Überliefert ist etwa: „Gehen wir in resias med.“ Muss wohl einem Einwohner von Flagranti passiert sein.

E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.