Der Kebabstanddesigner bei Humboldt

Kebabstanddesigner Humboldt
Kebabstanddesigner Humboldt(c) EPA (Kerim Okten)
  • Drucken

Der New Yorker Times Square hat auf den ersten Blick nicht allzu viel mit dem Lerchenfelder Gürtel in Wien gemeinsam.

Der New Yorker Times Square hat auf den ersten Blick nicht allzu viel mit dem Lerchenfelder Gürtel in Wien gemeinsam. Und doch, wer sich spätabends zur U6-Station Josefstädter Straße verirrt, kann sich ein bisschen wie im Little Big Apple fühlen. Zugegeben, imposante Wolkenkratzer gibt es hier nicht, dafür zwei unmittelbar nebeneinander stehende Kebabstände. Diese Twin Towers der schnellen Kulinarik wiederum sind mit derart viel blinkenden und leuchtenden Schildern und Tafeln behängt, dass im Umspannwerk Michelbeuern regelmäßig die Sicherungen aus ihren Fassungen springen müssen. Ähnlich viel Strom wie die Leuchtreklame am Times Square dürften sie jedenfalls verbrauchen. Vermutlich würde man diese beiden Stände sogar von der Internationalen Raumstation in 350Kilometer Höhe als leuchtende Punkte ausmachen können.

Shine on, you crazy Reizüberflutung, möchte man da sagen. Und diesen Sinneseindruck im persönlichen visuellen Lexikon als Antipode zum Begriff „dezent“ einordnen. Der Informationsgehalt der an allen Seiten der Stände permanent blinkenden Tafeln erschöpft sich allerdings in durchaus banalen Begriffen – „Kebab“ liest man auf der einen, „Spezial Kebab“ auf einer anderen, und das absolut synchron auf beiden Ständen. Auch das Essensangebot deckt sich zu nahezu 100Prozent: Neben Kebab und Falafel gibt es auch noch Asia-Nudeln und Wurst. Nicht ganz synchron ist nur die musikalische Untermalung, die den Besucher in einem Potpourri aus Bastard-Pop und Dancefloor zur Verzweiflung treibt. Und während man ein wenig reizüberflutet an seinem Ottakringer nippt, wünscht man sich den Standbetreiber in einen Werbespot, in dem er mit glücklichem Lächeln verkündet: „Ich mach jetzt den Kebabstanddesigner bei Humboldt!“

E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.