Ärztevertreter fordert neue Ambulanzgebühr

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Kommen Patienten mit „Wehwehchen“ in die Ambulanz, sollen sie laut Ärztekammer zahlen. Vor allem in der Nacht und am Wochenende kommen viele Menschen aus Bequemlichkeit.

Wien. Überfüllte Warteräume, überforderte Ärzte – und ein Haufen Patienten, die eigentlich nur ein „Wehwehchen“ haben: Harald Mayer, Obmann der angestellten Ärzte und Vizechef der Österreichischen Ärztekammer, warnte am Dienstag via „Ö1“-Morgenjournal vor „heillos überlasteten Ambulanzen“. Vor allem in der Nacht und am Wochenende würden viele Menschen aus Bequemlichkeit nicht nur bei Notfällen, sondern wegen Kleinigkeiten in die Ambulanzen kommen.

Das könnte auf lange Sicht zu einem Kollaps des Systems führen. Mayer fürchtet nämlich, dass sich die Situation aufgrund der frisch beschlossenen Gesundheitsreform zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherung weiter verschlechtern könnte. Denn die Forderung der Ärztekammer nach 1000 zusätzlichen Kassenverträgen (um den niedergelassenen Bereich zu stärken und Ambulanzen zu entlasten) wurde nicht beachtet.

Wie soll man das Problem also sonst lösen? Mayer schlägt eine Ambulanzgebühr vor. Eine solche Gebühr von zehn bis 18 Euro gab es bereits – zwei Jahre lang unter Schwarz-Blau – und wurde 2003 wieder abgeschafft. Der Grund: Durch einen hohen Bürokratieaufwand und wegen zu vieler Ausnahmeregelungen kostete sie mehr als sie einbrachte. Hinzu kam der Verfassungsgerichtshof zu dem Schluss, dass die Regelung verfassungswidrig war, weil sie nicht ordnungsgemäß kundgemacht wurde.

Mayer ist sich bewusst, dass die alte Gebühr mehr Probleme als Vorteile brachte: „Deswegen soll die neue Gebühr jeder bezahlen, im Fall einer Befreiung würde die Sozialversicherung das Geld zurückerstatten. Im Spital sollte es keine zusätzliche Administration geben.“ Wie hoch die Gebühr sein könnte, habe er noch nicht berechnet. „Sie sollte sozial verträglich sein, aber wirksam.“

Dazu wird es aber wohl nicht kommen: Denn Mayer bekam für seine Pläne ein dreifaches Nein. Zuallererst von Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ). „Wir wollen die Patienten nicht zusätzlich zur Kasse bitten“, heißt es aus seinem Büro. Das zweite Nein kam von Patientenanwältin Sigrid Pilz: „Ich halte es für einen Fehler, die mangelnde Reformbereitschaft der Ärztekammer den Patienten umzuhängen.“ Eine Gebühr würde nichts bringen: „Die, die es sich leisten können, zahlen sie einfach. Und die, die es sich nicht leisten können, gehen möglicherweise gar nicht mehr zum Arzt.“ Das Problem der überlasteten Ambulanzen bestehe – nur müsse man es anders lösen.

Auch Thomas Szekeres, Chef der Wiener Ärztekammer und im Allgemeinen Krankenhaus in Wien tätig, kann mit den Gebührenplänen nichts anfangen. „Ich persönlich bin nicht für zusätzliche Kosten.“ Man müsse eben den Patienten Alternativen zur Ambulanz bieten. Vor allem in Wien sei dies ein Problem: Menschen aus anderen Bundesländern würden in die Hauptstadt strömen. „Und die Wiener sind tendenziell eher krank als Menschen im ländlichen Gebiet.“

Das sei ein sozialer Faktor – sie würden etwa mehr rauchen, seien durchschnittlich übergewichtiger und hätten auch mehr Stress. Erkrankt jemand am Abend oder am Wochenende, gebe es zwar den Ärztefunkdienst, der Hausbesuche vornimmt. Allgemeinmediziner würden allerdings nicht besonders gern am Wochenende ihre Praxen öffnen: „Denn sie müssen ihren Angestellten einen Wochenendtarif bezahlen, verdienen selbst aber wie an einem Freitag.“ Diese Leistungen müsse man attraktiver gestalten.

Gesundheitsreform sieht Änderungen vor

Hier sind sich also alle Beteiligten einig: Das System müsse auf jeden Fall geändert werden. Genau das sei allerdings in der Gesundheitsreform vorgesehen, heißt es aus dem Büro von Gesundheitsminister Stöger. In jedem Bundesland werde nun überprüft, welche Stelle für welches Problem die beste Anlaufstelle sei. Falls nötig, könnten auch zusätzliche Kassenstellen eingeführt werden – der niedergelassene Bereich werde also gestärkt. Außerdem sollen auch mehr Gruppenpraxen eingeführt werden.

Zur Person

Harald Mayer ist Vizechef der Österreichischen Ärztekammer sowie Obmann der angestellten Ärzte. Der 52-jährige Wiener ist außerdem seit 1995 Facharzt für Unfallchirurgie. [DAPD]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2013)

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