Wenn das alte Leben völlig verschwindet

Wenn alte
Wenn alte (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Seit 1998 erfindet die Republik im Bundeskriminalamt neue Identitäten für Gefährdete.

Wien/Awe. Die Aufgaben des Bundeskriminalamts (BK) sind klar geregelt. Das Erfinden von Identitäten gehört eigentlich nicht dazu.

Tatsächlich ist jedoch genau das der Zweck des Büros für Zeugen- und Opferschutz. Eine Abteilung, die auf Vertraulichkeit derart großen Wert legt, dass sie nicht im Raumbuch der Zentralstelle in Wien Hernals aufscheint. Medienanfragen werden prinzipiell nicht beantwortet.

Wer mehr über die Abteilung erfahren will, muss bei Dienststellen recherchieren, die mit gefährdeten Zeugen oder Opfern zu tun haben. Diese Dienststellen sind es, die schließlich die Anträge auf Schutz stellen. Das Schaffen einer Identität, einer sogenannten Legende, ist aufwendig. Insbesondere bei Familien. Lebensgeschichte, Sozialversicherung, Umfeld, Wohnort: Alles ist neu. Der Name ist dabei das geringste Problem. Eine erfundene Vergangenheit muss so glaubwürdig erscheinen, dass Betroffene ohne offensichtliche Widersprüche – zum Beispiel bei einem Bewerbungsgespräch – darüber reden können.

Oft lebenslange Betreuung

Das erfordert Mut, Disziplin und Kooperationsbereitschaft mit den Mitarbeitern der Abteilung, die oft lebenslang Ansprechpartner bleibt. Voraussetzung ist der totale Bruch mit dem bisherigen Leben. Deshalb nehmen auch nicht alle Personen, für die Zeugenschutz infrage kommt, die Möglichkeit an. Denn: Absolut alles bleibt zurück. Danach ist es fast so, als ob der Betroffene nie existiert hätte. Durch die Kooperation des BK mit dem Ausland kommen viele Programmteilnehmer in fremde Länder. Die Beamten der Zentralstelle organisieren u.a. Wohnungen, Sprachkurse und Schulen für die Kinder. Auch finanzielle Starthilfen sind manchmal nötig. Ziel ist es, den Gefährdeten langfristig ein selbst organisiertes Leben zu ermöglichen.

Die Republik greift für die Sicherheit wichtiger Zeugen durchaus tief in die Tasche. Mehrere zehntausend Euro kann die erfolgreiche Integration einer Familie in ein neues Leben kosten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2013)

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