Asyl: Der Exodus aus der Votivkirche

Exodus Votivkirche
Exodus Votivkirche(c) Fabry
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Die 60 Asylwerber, die seit 18.Dezember in der Votivkirche protestierten, sind in das Servitenkloster am Alsergrund übersiedelt. Ihr Protest soll nun von dort aus weitergehen.

Wien. „Bitte alle niedersetzen“, ruft der Mann im weißen Bus. Als er beginnt, die Namen der Passagiere zu verlesen, schließt sich die Tür. Es ist halb neun Uhr morgens, als sich der Bus schließlich in Bewegung – und damit den vorläufigen Schlusspunkt unter die elf Wochen andauernde Besetzung der Votivkirche durch eine Gruppe von Asylwerbern setzt. „Wir sind froh“, sagt der Pakistani Adalat Khan. Es sei gut, endlich aus der kalten Kirche zu kommen.

76 Tage hat die Gruppe von circa 60 Asylwerbern hier ausgeharrt und vom Kirchenboden aus für eine menschenwürdigere Asylpolitik protestiert. Zweimal trat man in Hungerstreik, drohte auch die Verweigerung von Flüssigkeit an – und erreichte ein hohes Maß an Aufmerksamkeit. Kardinal Schönborn war zweimal bei ihnen, Innenministerin Johanna Mikl-Leitner lud zum Gespräch, und schließlich schrieb sogar Bundespräsident Heinz Fischer einen Brief. Die Kirche verlassen, in ein von der Caritas angebotenes Quartier ziehen wollten sie aber nicht. Dann schließlich, in der Nacht auf Sonntag, kam doch die Wende.

„Was sie verstanden haben, ist, dass weder der Bundespräsident noch der Kardinal den Flüchtlingen den Aufenthaltsstatus zuerkennen kann“, sagt Michael Prüller, Sprecher der Erzdiözese Wien. Am Rechtsweg führe einfach kein Weg vorbei. Was man vonseiten der Kirche aber tun könne, sei, einzelne Fälle zu betreuen. „Und die existierenden Chancen im österreichischen Recht nützen.“

Ministerium: Keine Schubhaft

Dass es schließlich doch zum Ende der Besetzung kam, hat aber auch noch andere Gründe. „Wir haben den Flüchtlingen in langen Verhandlungen die Angst genommen und Vertrauen aufgebaut“, sagt Caritas-Geschäftsführer Klaus Schwertner. Um auch rechtlich auf sicherer Seite zu stehen, haben sämtliche Asylwerber eine Vereinbarung unterzeichnet, dass sie in sämtlichen aslyrechtlichen Fragen kooperieren werden. Im Gegenzug dafür versicherte das Innenministerium zuletzt, dass über jene 26 Protestierenden, deren Asylantrag bereits rechtskräftig abgewiesen wurde, keine Schubhaft verhängt wird. Gleichzeitig habe man zugesichert, dass die noch laufenden Asylverfahren der anderen Protestierenden – Schwertner spricht von 34 Personen – weitergeführt werden. Auch wenn einige davon durch den Protest Fristen versäumt haben.

Ein Argument für den Auszug mag auch die Verhaftung von Khan Shahjahan am Donnerstag gewesen sein – der Sprecher der Gruppe war vor der Kirche aufgegriffen und in Schubhaft gesteckt worden. Groß war die Angst, dass es weitere derartige Fälle geben könnte. Aber, so Schwertner: „Das war nicht das Hauptargument.“

Wenige Minuten nach der Abfahrt von der Votivkirche laden die Asylwerber ihre Taschen und Säcke vor dem Servitenkonvent aus dem Bus. Das 2009 geschlossene Kloster im 9. Bezirk, nur wenige Gehminuten von der Votivkirche entfernt, soll nun die Protestierenden beherbergen. Hier hat ihnen Kardinal Schönborn das Gastrecht zugesichert, hier sollen sie würdiger untergebracht sein als auf dem kalten Kirchenboden.

Zwar haben Vertreter der Gruppe gemeinsam mit der Caritas schon die Räumlichkeiten besichtigt, doch ganz reibungslos verläuft der Umzug nicht. Denn zunächst hat man sich für eine Räumlichkeit im Keller entschieden – damit alle zusammenbleiben können. Doch als die Asylwerber den stickigen Raum mit einer Reihe Feldbetten sehen, ist die Enttäuschung groß. Im Hof des Konvents bricht sogar Streit aus – empörte Aktivisten, die die Asylwerber seit Beginn der Proteste beraten, geraten mit Vertretern der Caritas aneinander. Und auch bei einige Asylwerbern liegen die Nerven blank. Es wird geschrien, in Grüppchen debattiert.

Schließlich willigt man ein, die angebotenen Quartiere im zweiten Stock zu beziehen. Allein, der Schlüssel für den Stock ist nicht zu finden – erst nach langen Minuten taucht er auf. Es sind 13 leere Zimmer, in die nun Feldbetten und Matratzen gebracht werden. Es ist warm, es gibt Strom – nur Wasser fehlt noch, zum Duschen müssen die Asylwerber einen Stock tiefer gehen. „Kein Problem“, sagt Mir Jahangir, der eines der Zimmer inspiziert, lachend, „in Pakistan hatten wir auch kein Wasser.“

Die Votivkirche ist geräumt, das neue Lager bezogen. Den Protest will man aber weiter betreiben, darüber sind sich alle einig. Aber das muss noch warten, sagt Jahangir: „Ich bin so müde, ich will jetzt einfach nur schlafen.“

76 Tage in der Votivkirche

Seit 18. Dezember 2012 haben sich in der Wiener Votivkirche Asylwerber aufgehalten, am Sonntag sind sie ins Servitenkloster in Wien-Alsergrund übersiedelt.

Eine Chronologie der Geschehnisse.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2013)

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