Katastrophenhilfe: Risikozonen werden nicht versichert

Katastrophenhilfe: Risikozonen werden nicht versichert
Katastrophenhilfe: Risikozonen werden nicht versichert(c) APA/NEUMAYR/MMV (NEUMAYR/MMV)
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Die Versicherungen zahlen seit dem Jahrhunderthochwasser 2002 nur noch einen Bruchteil des Schadens in Risikogebieten.

Wien. Noch ist der Schaden, den das Hochwasser in Österreich verursacht hat, nicht bezifferbar. Das wird erst möglich sein, wenn sich das Wasser überall zurückgezogen hat und die Schlammmassen entfernt wurden. Die meisten Versicherungen gehen aber davon aus, dass der Schaden den des Hochwassers 2002 – rund 5,5 Milliarden Euro – erreichen wird.

Der Unterschied zu 2002: Die Versicherer haben aus der Katastrophe gelernt und bieten jetzt für Hochrisikozonen in der Regel nur mehr eine Standardabdeckung an, die meist nur einen Bruchteil des entstandenen Schadens kompensiert. Die Geschädigten müssen also auf die Hilfsfonds von Sozial- und Wirtschaftsministerium, Wirtschaftskammer und Sozialversicherung bauen. Der Ruf nach einem tragfähigen Konzept für Katastrophenfälle, etwa einer Pflichtversicherung kombiniert mit einem Katastrophenfonds, bei dem Staat, Privatwirtschaft und Versicherungen an einem Strang ziehen, wird immer lauter. Ein Vorschlag des Versicherungsverbandes liege der Politik seit einigen Jahren vor, sagt Erik Eybl, Leiter der Schadensabteilung der Generali-Versicherung. Doch obwohl nach jeder Katastrophe die Forderung neu aufflamme, sei bisher nichts geschehen.

„Die Presse“ beantwortet die wichtigsten Fragen zur (finanziellen) Katastrophenhilfe.

1 Wie viel bekomme ich von meiner Versicherung?

Nach dem Hochwasser 2002 haben die Versicherungen dazugelernt. Sie übernehmen nur noch eine limitierte Haftung für den Schaden in Hochrisikogebieten. Bei der Allianz beträgt die Obergrenze der Standardabdeckung für Hochwasserschaden 4000 Euro. Zur Einschätzung der Gefahrenzone wird die digitale Gefahrenlandkarte Hora herangezogen, die nach dem Hochwasser 2002 im Auftrag des Umweltministeriums entwickelt wurde. Die Landkarte ist für jeden Bürger einsehbar. Befindet sich ein Gebäude oder Grundstück in weniger riskanten Bereichen, deckt die Versicherung eine höhere Summe ab. Bei der Allianz sind es etwa bis zu 50 Prozent der Versicherungssumme.

2 Welche Hilfe können geschädigte Unternehmen erwarten?

Für vom Hochwasser geschädigte Betriebe haben Wirtschaftskammer und Sozialversicherung rasche Soforthilfe zugesichert. Pro Fall beträgt die Hilfe zehn Prozent des entstandenen Schadens bis zu einem Höchstbetrag von 10.000 Euro. Jeder in Not geratene Betrieb kann diese Hilfe direkt über seine Landeskammer beantragen. Eine Hilfszusage gibt es auch von der Erste Bank. Sie bietet ein „Hochwassersoforthilfekonto“ mit einer Finanzierung zu zwei Prozent von bis zu 50.000 Euro für Privatfirmenkunden und Freiberufler an.

3 Gibt es auch andere Hilfeleistungen für Betriebe?

Für Betriebe, die längerfristig die Produktion wegen des Hochwassers stilllegen müssen, bietet das Sozialministerium die Möglichkeit der Kurzarbeit mit finanzieller Unterstützung der öffentlichen Hand. Dabei wird die Arbeitszeit der Mitarbeiter reduziert, die entfallene Entlohnung wird größtenteils vom AMS ausgeglichen. So soll vermieden werden, dass es wegen des Hochwassers Kündigungen gibt.

4 Wer bietet Hilfe für private Hochwasseropfer?

Das Wirtschafts- und Familienministerium hat einen Fonds für den Familienhärteausgleich eingerichtet. Damit können in Not geratene Familien bis zu 2000 Euro Soforthilfe beantragen.

5 Wie stark ist die Landwirtschaft vom Hochwasser betroffen?

Am stärksten betroffen sind die Grünlandbauern. Durch die Überflutungen kämpfen die Landwirte mit einer massiven Verunreinigung der Wiesen. Das Gras kann nicht mehr als Futtermittel verwendet werden. Neben Grünland sind aber nach ersten Schätzungen der Landwirtschaftskammer auch einige tausend Hektar Getreide, Obst- und Gemüseflächen von Ernteausfällen betroffen. Die am stärksten betroffenen Gebiete sind in Tirol Kufstein und Kitzbühel, in Salzburg Lungau und Pongau, Tennengau und Pinzgau, in Oberösterreich das Eferdinger Becken und das Machland, in Niederösterreich das Gebiet Melk-Amstetten und in der Steiermark die Region Liezen und Schladming.

6 Können sich die Bauern gegen Ernteausfälle versichern?

Nein, können sie nicht. Die Österreichische Hagelversicherung, die auch für landwirtschaftliche Schäden durch Überschwemmungen zuständig ist, übernimmt lediglich eine Haftung für den Wiederanbau nach einer Überschwemmung. Sie zahlt den Bauern 200 Euro pro neu bepflanztem Hektar.

7 Wie viel hat den Staat das Hochwasser 2002 gekostet?

Laut Berechnungen des Wifo betrug der Schaden 2002 mit 5,5 Mrd. Euro rund 2,5 Prozent des BIPs. Im Zuge des Wiederaufbaues getätigte Investitionen hätten sich zwar positiv auf das Wirtschaftswachstum ausgewirkt, die Produktionsausfälle hätten diesen Vorteil aber wieder zunichtegemacht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2013)

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