Die große Stunde der (freiwilligen) Helfer

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Flutkatastrophe. Ohne tausende Freiwillige von der Feuerwehr bis zum „Team Österreich“ wäre die Hilfe unmöglich. Aber wie gut funktioniert sie wirklich, und was könnte besser werden?

Wien/St. pölten. Sie sind die Retter in der Not, ohne sie gäbe es keinen wirksamen Kampf gegen die Hochwasserkatastrophe; und Flutopfer müssten auf dringend notwendige Hilfe verzichten: Zehntausende Feuerwehrleute, Rettungskräfte oder Bundesheerangehörige helfen von Salzburg bis Niederösterreich im Kampf gegen die Wassermassen. Wer oder was sind die wichtigsten Säulen des Rettungseinsatzes, der vor allem von Freiwilligen getragen wird, was funktioniert – und was nicht? Ein „Presse“-Überblick:

• Feuerwehr:Aktuell knapp 340.000 Menschen engagieren sich bei den lokalen freiwilligen Feuerwehren. Etwa fünf Prozent davon sind Frauen. Die Gesamtzahl schwankt seit ungefähr einem Jahrzehnt zwischen 337.000 und eben 340.000 Personen, wie der Generalsekretär des Bundesfeuerwehrverbandes, Markus Ebner, berichtet: Einen Mangel an Personal gebe es jedenfalls nicht. Seit Freitag sind 19.000 Feuerwehrleute bundesweit im Hochwassereinsatz.

Arbeiten im Urlaub und zum Nulltarif

Die Freiwilligen arbeiten zum Nulltarif, etliche nehmen sogar Urlaub, um helfen zu können. Viele Berufstätige werden von ihren Dienstgebern auch für einen oder mehrere Tage freigestellt. Unternehmen sollten eine Entschädigung erhalten, wenn sie Feuerwehrmitglieder nach ausgerufener Katastrophe freiwillig in den Katastropheneinsatz gehen lassen, fordert deshalb der Feuerwehrverband. Auch die Aufstockung bzw. Absicherung der Mittel für die Feuerwehren aus dem Katastrophenfonds, um notwendiges Gerät für die Feuerwehren fördern bzw. anschaffen zu können, sei den Helfern ein Anliegen, sagt Ebner.

• Rotes Kreuz: Beim Einsatz ebenso an vorderster Front ist das – als Verein konstituierte und stark auf Freiwilligkeit aufbauende – Rote Kreuz. 1400 Personen waren am Dienstag allein wegen des Hochwassers aktiv. Insgesamt umfasst die Organisation 59.980 Freiwillige, davon sind 33.955 im Rettungsdienst und 6809 in der Pflege. Hauptberuflich sind 7222 Mitarbeiter beim Roten Kreuz, außerdem 4254 Zivildiener. Jährlich arbeiten die Freiwilligen beim ÖRK insgesamt 10,6 Millionen Stunden.

„Uns ist wichtig, dass dieses System der Freiwilligkeit aufrechterhalten bleibt und Dienstleistungen der Daseinsvorsorge – wie der Rettungsdienst – nicht kommerzialisiert werden“, sagt Gerry Foitik, ÖRK-Bundesrettungskommandant, im Gespräch mit der „Presse“. „Pickt man durch eine Kommerzialisierung des Rettungsdienstes in einzelnen Regionen die Rosinen aus dem Kuchen, kollabiert das System: Neben dem Rettungsdienst ist dann die hauptsächlich von Freiwilligen aus dem Rettungsdienst getragene Katastrophenhilfe in der derzeitigen Form nicht durchführbar.“
•Bundesheer: Das Bundesheer stellt aktuell 1600 Soldaten für den Einsatz, ein Fünftel sind Grundwehrdiener, der Rest Pioniere. Allein 600 wurden am Dienstag vom Miliz-Jägerbataillon in Oberösterreich in Schärding zur Hilfe zugezogen. Auch Blackhawk-Flüge in Ebensee in Oberösterreich, wo man Menschen aus eingeschlossenen Häusern holte, sowie in Wallsee in Niederösterreich, wo man überdimensionierte Sandsäcke abwarf, fanden statt, insgesamt waren elf Hubschrauber unterwegs.

Heer: Investitionen nach Katastrophe 2002

Seit 2006, auch infolge der Hochwasserkatastrophe 2002, hat das Heer über fehlende Geräte einem Sprecher zufolge nicht mehr zu klagen: Damals habe es einen (nicht näher bezifferten) „Investitionsschub“ für eine komplette Ausstattung der drei Baupionierkompanien gegeben – also genau jener Kompanien, die aktuell und voraussichtlich auch in den nächsten Tagen bei den umfassenden Aufräumarbeiten zum Einsatz kommen. Nur auf mehrere Dutzend Pionierboote wartet man noch, diese sind aber bereits ausgesucht und bestellt.

• Das „Team Österreich“:Gestützt wird der aktuelle Einsatz auch durch das freiwillige „Team Österreich“: Über eine Plattform des ORF-Radios Ö3 und des Roten Kreuzes, die 2007 geschaffen wurde, stehen inzwischen 31.000 Bürger via SMS auf Abruf bereit, um die Krisenstäbe in den jeweils betroffenen Bezirken zu unterstützen: vom Sandsäcke-Schupfen über das Betreuen evakuierter Personen bis zu den Aufräumarbeiten nach der Flut. Am Dienstag waren es 2400 Team-Österreich-Mitglieder vom Bezirk Perg (Oberösterreich, Vorbereitung von Evakuierungen) bis Braunau (Aufräumarbeiten).

Laut Information des Sozialministeriums sind etwa 45 Prozent der Österreicher in der Freiwilligenarbeit aktiv. Gemäß einer jüngst vorgestellten Studie wurden 2006 wöchentlich knapp 14,7 Millionen Arbeitsstunden geleistet, dies entspricht einem Arbeitszeitvolumen von circa 425.000 Vollzeiterwerbstätigen.

Auf einen Blick

Heer der Freiwilligen. 3,3 Millionen Menschen engagieren sich in Österreich als freiwillige Helfer. Die Bereiche Kultur, Sport und Katastrophenhilfe gelten als jene mit den meisten Freiwilligen. Als Motive werden gemäß einer kürzlich vom Sozialministerium publizierten Studie in erster Linie „Macht Spaß“, „Anderen helfen“, „Menschen treffen/Freunde gewinnen“ genannt. Auch der Kampf gegen das Hochwasser beruht auf der Freiwilligkeit tausender Helfer. Allein die freiwilligen Feuerwehren standen von Freitag bis Dienstag mit 19.000 im Einsatz. Viele nahmen sich Urlaub, um zu helfen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2013)

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