Nach dem Wasser kommen die Gelsen

Die Gelsen könnten zu einer regelrechten Plage in den Hochwassergebieten und nicht nur dort werden.
Die Gelsen könnten zu einer regelrechten Plage in den Hochwassergebieten und nicht nur dort werden.(c) APA/Privat
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Ökologe Bernhard Seidel warnt vor "Wolkenschwärmen" der Insekten als Überträger von Viren. Die Hochwassergelsen werden "explosionsartig schlüpfen".

Der Höhepunkt des Hochwassers 2013 dürfte in Österreich langsam vorüber sein, als eine Folge der Katastrophe steht in den kommenden Wochen eine wahrhaftige Gelsenplage ins Haus. "Wolkenschwärme" von Überschwemmungsgelsen prognostizierte der Ökologe Bernhard Seidel am Mittwoch im Gespräch mit der Austria Presse Agentur und zwar just zu Beginn der Ferienzeit. Die verwandte Hausgelse wird wenig später ebenfalls verstärkt auftreten: "Die Population könnte um das drei- bis vierfache, wenn nicht um das zehnfache des Üblichen übersteigen", so der Stechmückenexperte, der die Gelsenplage auch als einen ökologischen Indikator beschrieb.

"Stechmücken können die Gesellschaft fertig machen", so Seidel. Doch die Insekten sind nicht nur lästig allein. Sie fungieren etwa als Überträger von Viren, wie etwa dem Usutu-Virus, das nach dem Hochwasser 2002 vermehrt aufgetreten sei. "Bereits 2002 gab es eine Usutu-Epidemie, die behördlich aber nicht registriert wurde", sagte Seidel. Seinen Schätzungen zufolge, die sich auf Stichproben aus dem Tullnerfeld und drei weiteren Messstellen im Donauraum stützen, könnten bis zu 50.000 Menschen infiziert und 1000 bis 1000 auch daran erkrankt sein.

"Es gab bereits 2001 den ersten Nachweis außerhalb von Afrika, dass der Virus auch bei Menschen zu Symptomen ähnlich der Sommergrippe geführt hat", warnte der Forscher vor dem Virusstamm, der dem gegenwärtig problematischen Westnilvirus ähnlich ist. "Man könnte diese Entwicklungen abdämpfen", betonte der Experte, der angab, dass ein infiziertes Weibchen rund 300 ebensolche Nachkommen ausmachen würde.

Plage dauert zwei Wochen

Das verstärkte Auftreten der Zweiflügler wird zuerst die Hochwassergelse einleiten: "Die vorhandenen Bestände werden explosionsartig schlüpfen", lautete die Prognose. Nachdem in den kommenden Tagen der Jahreszeit entsprechende Temperaturen und damit ebensolche Freizeitaktivitäten zu erwarten sind, "wird es dem subjektiven Empfinden nach wohl besonders unangenehm sein", so Seidel. Zehn bis 14 Tage wird es dauern, bis die "jagdaktiven und lästigen" Genossen erscheinen werden und zwei Wochen lang wird man mit den Schwärmen leben müssen. Nicht nur in den Schlupfgebieten selbst: "Der Westwind kann sie auch nach Wien verbreiten".

Dann folgt die Hausgelse Ende Juni Anfang Juli nach, die verglichen mit dem Hochwasser im August 2002 in diesem Jahr zwei Generationen hinten nach ist. Problematisch ist, dass die Hausgelse im Jahr in mehreren Generationen auftritt und sich die Nachkommen so multiplizieren, im Herbst wartet schon die Generation fünf.

Um der Plage Herr zu werden, sind derzeit nur noch reaktive Maßnahmen in Form von Insektiziden möglich - und zwar solange die Larven noch im Wasser sind. "Eine nachhaltige Stechmückenkontrolle, die in wasserrechtliche Planungen integriert werden könnte, blieb bisher weitgehend aus." Denn es geht nicht nur um das nun zu erwartende, verstärkte Auftreten: "Gelsenprobleme sind immer akut" und könnten statt durch Insektizide durch klassische biologische Schädlingsbekämpfung angegangen werden.

"Bekämpfung ernster nehmen"

"Stechmücken waren früher nur lästige Störfaktoren. In Hinkunft wird man ihre Bekämpfung ernster nehmen müssen, weil wir akzeptieren müssen, dass auch sie Krankheiten übertragen können", erklärte Franz Allerberger von der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) im März diesen Jahres gegenüber der APA, nachdem Wissenschafter bei einer erst seit kurzem in Österreich heimischen Stechmücken-Art erstmals einen Krankheitserreger nachgewiesen hatten, der bei Vögeln malariaähnliche Zustände hervorruft.

Hochwasser und Gelsenplage haben für Seidel im Übrigen eines gemein, denn "in beiden Fällen kann man sich nicht auf die Klimadiskussion ausreden". Vielmehr werden durch diese Phänomene die von Menschenhand geschaffenen Bodenstrukturprobleme aufgezeigt, vom Wildwasserverbau angefangen bis hin zu "Deltabildungen" im Staubereich von Berglandflüssen, wie die Donau einer ist.

(APA)

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