Habersack: „In den Gefahrenzonen wird zu viel gebaut“

 Helmut Habersack
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Der Wasserschutzexperte Helmut Habersack über rote Zonen, Bürgermeister und die Raumordnung.

Die Presse: Können Sie schon eine erste Bilanz dieses Hochwassers ziehen? Haben die Hochwasserschutzmaßnahmen Wirkung gezeigt, haben sie versagt?


Helmut Habersack: Es ist noch recht früh zu bilanzieren. Aber nach meiner Einschätzung hat dort, wo Hochwasserschutz gebaut worden ist und der Dimensionierungswert nicht überschritten wurde, dieser schon recht gut funktioniert. Die Dämme sind bei uns auf ein hundertjährliches Hochwasser ausgelegt. Es gibt ein Problem bei alten Dämmen, die zum Teil in der Monarchie gebaut wurden. Davon haben wir in Österreich noch viele. Grundsätzlich gab es zwar da und dort Probleme, doch die seit 2002 gebauten Anlagen haben grosso modo funktioniert.

Viele Kritiker sagen aber auch, nur Dämme zu errichten reicht im Kampf gegen große Hochwasser nicht aus.

2002 ist ein Paradigmenwechsel eingetreten. Gemeinsam mit den Verwaltungen haben wir Empfehlungen ausgearbeitet - und eine der Hauptempfehlungen war, dass man sich vom technischen Hochwasserschutz hin zu einem integrierten Hochwassermanagement entwickeln muss. Dieses besteht aus strukturellen Maßnahmen, wie Dämme, mobiler Hochwasserschutz, Rückhaltebecken usw. sowie aus nicht strukturellen Maßnahmen: Das sind Überflutungsflächen, die einen Rückhalt in der Fläche geben. Und schließlich muss man das Katastrophenmanagement besser mit der Vorsorge verknüpfen. Da müssen Vorkehrungen getroffen werden, dass Einsatzkräfte vorher schon wissen, wie das System vor Ort funktioniert. Seit 2002 hat sich einiges gebessert, es ist aber noch einiges zu tun.s

Was zum Beispiel?

Das Problem ist, dass etwa Überflutungsflächen nach wie vor sehr stark reduziert werden. Es gab Bemühungen, dies zu beschränken, aber der wirtschaftliche Druck ist groß. Daher werden Überflutungsflächen weiterhin von Einkaufszentren verbaut, da werden ganze Ortsteile an den Fluss verlegt, die historisch gar nicht dort waren.

Wie sieht es in den roten Zonen aus? Wird da weiterhin zu viel gebaut?

Die rote Zone ist in flacheren Bereichen Österreichs kaum wirksam, weil diese von der Wassertiefe und Fließgeschwindigkeit abhängig ist. So liegt zum Beispiel in Niederösterreich eine rote Zone häufig nur im Fluss. Um sie effektiver zu machen, müsste man die Kriterien ändern bzw. weitere Kriterien wie etwa Verlagerungstendenzen dazu nehmen.

Welche Tendenzen meinen Sie?

Oft wird nicht um eine Baubewilligung für ein Bauobjekt angesucht, sondern für eine Aufschüttung. Im zweiten Schritt wird dann erst um eine Baubewilligung angesucht. Dann sind sie ja schon heraußen aus dem Wasser und können somit über zwei Stufen die rote Zone umgehen. Das wird leider praktiziert.

Die Raumordnung ist in Österreich sehr unterschiedlich geregelt. Was soll man dagegen tun?

Ja, das ist ein Problem. Da wäre es sinnvoll, dass man im Wasserrecht die Bewilligungspflicht ändert, also als Basis ein hundertjährliches Hochwasserereignis her nimmt. Derzeit wird nur das dreißigjährliche herangezogen. Außerdem müsste die Koordinierung im Rahmen der Raumordnungskonferenz zum Thema Hochwasser verstärkt werden.

Welche Lehren sollte die Politik aus dem neuen Jahrhunderthochwasser ziehen?

Man muss den Weg, der im Wasserschutz in den letzten Jahren in Richtung integriertes Hochwassermanagement begangen worden ist, konsequent weiterverfolgen. Das jetzige Ereignis genau dokumentieren und analysieren, was hat funktioniert und was warum nicht. Und man müsste das integrale Element verstärken, insbesondere die Eigenvorsorge durch Objektschutzmaßnahmen.

Sollte man die mobilen Dämme ausbauen?

Das geht nicht überall. Die Donau ist eine gute Möglichkeit. Das geht nur dort, wo man längere Vorlaufzeiten hat. In kleineren Flüssen im Alpenbereich geht das nicht, denn da gibt es kaum Vorlaufzeiten und auch das Problem der Muren.

Die Bürgermeister entmachten?

Aus meiner Sicht ist die Rolle der Baubehörde 1.Instanz schon ein Punkt, den man diskutieren muss. Mit der Amtshaftung ist hier ja einiges in Bewegung geraten. Vielleicht gibt es einen Kompromissweg. Etwa dass die Bürgermeister mit den Bewohnern gemeinsam raumplanerische (Vor)-Entscheidungen treffen, aber man danach trachten müsste, dass bei der Bewilligung andere fachliche Dienststellen einbezogen werden und (mit-)entscheiden können.

Zur Person

Helmut Habersack (geb. 2.August 1966) ist seit 2011 Universitätsprofessor für Wasserbau und Hydraulische Modellierung an der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien. Habersack promovierte 1997, wurde dann Uni-Assistent an der Boku. Danach kamen Auslandsaufenthalte in Neuseeland, Kanada und USA. Er hatte unter anderem eine Gastprofessur an der UC Berkeley (USA) inne. [Boku]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2013)

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