Fall Hundertwasser: Kritik an Justiz

Fall Hundertwasser Kritik Justiz
Fall Hundertwasser Kritik Justiz(c) EPA (Hartmut Reeh)
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Die Tochter des Künstlers sieht sich um Millionen betrogen. Dafür gibt es starke Indizien. Die Staatsanwältin stellt das Verfahren jedoch ein – unter merkwürdigen Umständen.

Der 31. Mai 2013 war – trotz Dauerregens – ein guter Tag für Joram Harel und seinen Anwalt Georg Zanger. An diesem Tag ließ die österreichische Justiz alle Verdachtsmomente gegen den ehemaligen Manager und nunmehrigen Nachlassverwalter des verstorbenen Künstlers Friedensreich Hundertwasser fallen. Das Ermittlungsverfahren wegen schweren Betrugs wurde – ohne weitere Berufungsmöglichkeit – von der zuständigen Staatsanwältin und mit dem Segen des Landesgerichts Wien eingestellt. Also alles gut damit?

Aus Sicht des ehemals Beschuldigten trifft das zu. Aus Sicht des vermeintlichen Opfers weniger. Denn: Die Indizien dafür, dass der heute 30-jährigen Tochter des Meisters im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens vor 13Jahren Vermögenswerte in Millionenhöhe verschwiegen wurden, sind stark.

Vor mehreren Monaten berichtete „Die Presse“ ausführlich (mehr dazu hier). Die Staatsanwältin Caroline Pestal-Czedik-Eysenberg, die erst vor eineinhalb Jahren von der Kanzlei Lansky, Ganzger und Partner zur Anklage gewechselt war, wertete die Fakten jedoch als nicht belastend. Indirekt bezweifelte sie die Glaubwürdigkeit des Opfers: So sei etwa fraglich, ob die 30-Jährige überhaupt die Tochter von Hundertwasser sei.

Die Betroffene wollte sich zu den Details nicht äußern, sagt aber, dass sie „von der Justiz schwer enttäuscht“ ist. Tatsächlich werfen die Ergebnisse der bisherigen Recherchen die Frage auf, wie ein Ermittlungsverfahren bei einer derartigen Faktenlage eingestellt werden konnte. Die Details:

•Die Verwandtschaft: Am 6. September 1983 stellte das Bezirksgericht Neunkirchen rechtskräftig fest (Aktenzahl 15-M-82113), dass Friedensreich Hundertwasser der Vater der Frau ist. Damit stand ihr zum Zeitpunkt seines Todes (19.Februar 2000) ein 50-prozentiger Pflichtteil zu. Trotzdem hegte die Staatsanwältin Zweifel.
•Die Erbschaft damals: Nach Hundertwassers Tod erstellten Gericht und Harel, der jener Stiftung vorsteht, der der Künstler alles vermachte, eine Inventarliste. Angeblich war die Stiftung in Millionenhöhe überschuldet. Harels Angebot lautete: Für 140.000 Euro und ein Bild sollte die damals 18-Jährige auf alle Ansprüche verzichten. Sie willigte ein.
•Die Erbschaft heute: Einige Jahre und intensive Recherchen später stellt sich das Vermögen der Stiftung anders dar. Der seinerzeit mit 44.257,76 Euro bewertete Anteil Hundertwassers an einer Wiener Immobilie wurde 2010 um eine Million Euro verkauft. Ein – angeblich 1,5 Mio. Euro schwerer – Kredit war tatsächlich nur halb so hoch. Ebenfalls im Vermögen der Stiftung: zwei Immobilien. Der 370 Hektar große Landstrich auf Neuseeland/Bay of Islands soll laut Angaben von Harel und Zanger damals 120.000 Euro wert gewesen sein. Aktuell werden dort viel kleinere Grundstücke (61 ha) um drei Millionen Euro verkauft. Auch nicht erwähnt im Nachlass: ein 18.000 Quadratmeter großer Park mit Palazzo in Venedig, der einer Firma des Meisters gehörte. Der Wert des Anwesens mit Blick auf den Dogenpalast ist schwer zu beziffern. Heute kostet dort eine kleine Villa mit 1500 Quadratmetern Grund 7,5 Mio. Euro.
•Werke und Rechte: Auch nicht erwähnt wurde damals eine schweizerische Briefkastenfirma, an der die Stiftung alle Aktien hielt (und hält), die einst Hundertwasser selbst gehörte, und der dieser alle Werke und Nutzungsrechte übertragen hatte. Laut einer internen Unterlage überwies diese Firma dem Künstler jährlich 15 Prozent der Einnahmen, was ebenfalls der Erbschaft zuzurechnen wäre. Dabei muss es um viel Geld gehen. Hundertwasser-Drucke wurden in Auflagen von jeweils mehreren tausend Stück gefertigt. Die Preise pro Stück betragen zwischen 3500 und 12.000 Euro.
•Die schiefe Optik: Eigenständige Ermittlungen gab es nicht. Die Staatsanwältin ließ sich von den Beteiligten lediglich Akten vorlegen. Die Einvernahme des Opfers beschränkte sich auf die rhetorische Frage, ob sie etwas sagen wolle. Für Harels Befragung deponierte sie die Fragen vorab im Akt. Stellen sollten sie mit dem Fall nicht vertraute Polizisten einer Inspektion in Wien Währing. Auf die Kriminalpolizei verzichtete die Staatsanwältin. Dann kam das Ersuchen um Akteneinsicht durch Harels Anwalt Zanger, der einen Mitarbeiter, Norbert Haslhofer, schickte. Ein Mann, der kurz vorher von der Staatsanwaltschaft Wien gekommen war. Inzwischen arbeitet er für den ehemaligen Arbeitgeber der für den Hundertwasser-Fall zuständigen Staatsanwältin – die Kanzlei Lansky, Ganzger und Partner.

„Die Presse“ bat die Staatsanwaltschaft Wien um eine Stellungnahme. Dort begründete man die Einstellung des Ermittlungsverfahrens so: „Wir konnten dem Beschuldigten keine Täuschungsabsicht nachweisen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2013)

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