Hochwasser: Das Ausmaß ist erst jetzt zu sehen

HOCHWASSER IN OeSTERREICH: NIEDEROeSTERREICH / EMMERSDORF
HOCHWASSER IN OeSTERREICH: NIEDEROeSTERREICH / EMMERSDORFAPA/HELMUT FOHRINGER
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Das Wasser ist weg, der ärgste Schlamm ist beseitigt, doch für die Hochwassergemeinden fängt die harte Zeit erst richtig an. Sie müssen jetzt alles wieder aufbauen.

Emmersdorf. Nichts kündigt die Folgen der Flut an. Es ist ein schöner Tag in der Wachau, die Hügel leuchten grün in der Sonne, die Donau fließt ruhig dahin, und selbst im kleinen Ort Emmersdorf erinnert auf den ersten Blick wenig daran, dass vor zwei Wochen die ganze Marktgemeinde unter Wasser gestanden ist.

Die Straßen sind sauber geputzt, nirgends ist mehr Schlamm zu sehen – und doch sind die Schäden enorm. Wer genau hinsieht, bemerkt, dass der Verputz von den Häusern abbröckelt, dort, wo das Wasser zum Teil bis in den ersten Stock hinauf gestanden ist. Überall sind Türen und Fenster geöffnet, damit die Feuchtigkeit aus den Räumen verschwindet. Schaufeln und Besen lehnen vereinzelt an den Hauswänden, und wer in die offenen Fenster blickt, sieht leere Räume, auf denen hauchdünner, brauner Staub liegt.

„Wir sind wieder da!“ Der Satz auf der kleinen Tafel vor dem Hotel-Restaurant „Zum Schwarzen Bären“ klingt wie eine Kampfansage, und kämpferisch gibt sich auch Hotelbesitzerin Erika Pritz. „Wir müssen weitermachen. Wir wollen, dass die Wachau wieder Gäste empfängt“, sagt Pritz. Nachsatz: „Auch wenn ich mich noch wie in einer Geisterstadt fühle.“ Sie ist die Einzige im Ort, die das Hotel schon wieder offen hat.

Erika Pritz ist eine von den vielen Emmersdorfern, die die Flut heftig erwischt hat. Zwar konnte sie das Wasser großteils aus dem Hotel mit Pumpen und Schalplatten halten (eine Lehre aus dem Hochwasser 2002) – trotzdem sind einige Zimmer völlig zerstört.

„Bis hierher ist das Wasser gestanden.“ Pritz zeigt auf eine Stelle in ungefähr 1,5 Metern Höhe. Das Zimmer ist völlig kaputt, in anderen Räumen müssen die Teppichböden herausgerissen, die Steckdosen neu verlegt, die Wände erst trocken werden. Im Speisesaal ist hingegen kaum etwas zu bemerken, bis auf den feuchtfauligen Geruch, den Pritz mit unzähligen Blumen und Duftkerzen zu vertreiben versucht.

So wie Pritz geht es vielen im Ort. Das Ausmaß der Schäden ist erst jetzt in seiner vollen Konsequenz zu sehen. Denn an den Wänden bilden sich noch Tage danach neue Wasserstellen, Möbel brechen plötzlich zusammen, weil sie zu sehr durchnässt wurden, Fenster gehen kaputt, der Verputz bröckelt ab, und Häuser beginnen zu stinken, weil die Mauern völlig nass sind. Das Leitungswasser im Ort ist noch immer nicht trinkbar.

Der Schock kommt erst danach

Hinzu kommen wirtschaftliche Unsicherheiten und Existenzängste. Denn obwohl der gesamte Ort alles, was nicht angenagelt war (und zum Teil auch das), in Sicherheit gebracht hat, gehen die Schäden in die Millionen.

„Der Schock ist erst in dieser Woche gekommen“, sagt Petra Sautner. „Das Wegräumen ist nicht so schlimm, aber wenn dann stündlich die Kosten für die Schäden reinkommen, dann ist das schrecklich.“ Die junge Frau steht in ihrem kleinen Supermarkt – dem einzigen Nahversorger im Ort. Oder das, was davon übrig ist. Ein leerer Raum, mit nackten Wänden, von denen sogar der Verputz abgeschlagen werden musste.

Trotzdem will sie alles wieder aufbauen. An Ort und Stelle. Weil die Lage für ältere Menschen und Touristen günstig ist – woanders hätte das Geschäft wenig Sinn.

Mut für den Wiederaufbau geben ihr die unzähligen Helfer: das Bundesheer, die Feuerwehr, Bekannte und hunderte freiwillige Helfer des „Teams Österreich“ (koordiniert vom Roten Kreuz). Sie haben in der vergangenen Woche, die Gegend rund um Melk gesäubert. Auch Firmen melden sich bis heute mit Sachspenden: Kühlschränke, Putzmittel, was notwendig ist. „Emmersdorf sagt Danke zu allen Helfern“ steht auf einem Transparent geschrieben.

Im Ort schwankt die Stimmung daher zwischen Verzweiflung und Optimus. Während die Schwiegermutter von Erika Pritz trotz verschlammten Gartens und überschwemmten Erdgeschoßes nie wegziehen würde, überlegt Keramiker Karl-Heinz Kummer, nun auch seine Firma zu verlegen. Sein Haus hat er als Konsequenz aus dem Hochwasser 2002 bereits in einem anderen Ort gebaut. „Es ist eine Entscheidung, mit der ich mir Zeit lassen werde“, sagt Kummer. „Aber man denkt natürlich nach, wie man sein Leben beweglicher gestalten kann.“

Hoffen auf den Hochwasserschutz

Einig sind sich jedenfalls alle, dass die Gemeinde noch so ein Hochwasser nicht überstehen wird. „Die Jungen ziehen ja alle weg“, sagt Erika Pritz' Schwiegermutter. Schon nach 2002 seien einige Häuser leer geblieben. Die Gemeinde hofft nun, den geplanten Hochwasserschutz nicht erst 2017, sondern schon früher zu bekommen.

Bis dahin wird in Emmersdorf das Leben weitergeführt, so gut es geht. Im Schwarzen Bären reservieren Touristen jedenfalls schon wieder Zimmer. Und ein Mann kündigt an, eine Familienfeier dort abzuhalten. „Das ist ein Stammgast, der uns so unterstützen will“, sagt Pritz. „Also die Leute helfen echt, wo sie können.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2013)

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