Reform steht: Die wichtigsten Punkte im Detail

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Justizministerin Beatrix Karl präsentiert im "Presse"-Exklusivinterview ihr Maßnahmenpaket zur Jugendhaft: Häftlinge sollen unter anderem mehr Beschäftigungsmöglichkeiten vorfinden.

Wien. Anlässlich der Missbrauchsfälle in Jugendgefängnissen präsentiert Justizministerin Beatrix Karl nun im „Presse"-Exklusivinterview ein 25-Punkte-Paket. Zu den zentralen - und vor allem auf die problematische Justizanstalt Wien-Josefstadt abgestimmten - Maßnahmen zählen: Nur noch zwei Jugendliche pro Zelle, Erweiterung des Arbeitsangebotes innerhalb der Haft, spezielle Schulungen für Bedienstete im Jugendstrafvollzug, mehr Informationen über Beschwerdemöglichkeiten für Jugendliche sowie die Renovierung der Justizanstalt Josefstadt.

Zudem lädt Karl für Freitag die Leiter aller zwölf Haftanstalten mit Jugendabteilungen ins Ministerium, um die Neuerungen zu besprechen. Übergriffe in Haft sollen künftig statistisch erfasst werden.

Als Alternative zur U-Haft forciert Karl Wohngemeinschaften für (mutmaßliche) jugendliche Straftäter. In diesen Einheiten sollen Sozialarbeiter die Betreuung übernehmen. Auf den „Presse"-Einwand, wonach es diese Unterbringungsform bereits gebe, aber nicht richtig ausgenützt werde - auch jener 14-Jährige U-Häftling, der in der Josefstadt sexuell missbraucht wurde, befindet sich in so einer Einrichtung - verwies Karl auf die Stadt Wien: Sie werde nun „Gespräche mit der Stadt Wien führen". Denn: „Es fehlt uns an Angebot. Ich hoffe sehr, dass die Stadt Wien kooperativ sein wird." Und: „Wir müssen fragen, welche Einrichtungen kann die Stadt zur Verfügung stellen, wo die Bereitschaft besteht, jugendliche Häftlinge auch aufzunehmen."

Nun die wichtigsten Punkte des Pakets im Detail:

  • Taskforce Jugend U-Haft: Die bereits angekündigte Expertengruppe erarbeitet ab Dienstag, 16. Juli, Verbesserungen der Untersuchungshaft für Jugendliche. Und kümmert sich um Alternativen zur Haft. Erste Ergebnisse sollen in drei Monaten vorliegen.
  • Zwei Personen pro Zelle. Zwei Leute pro Zelle soll die Regel (Normalbelagsfähigkeit) werden. Auch Einzelunterbringungen sind vermehrt geplant. Zudem werden weitere Mindeststandards für die Anhaltung von Jugendlichen eingeführt.
  • Mehr Beschäftigung. Das Arbeitsangebot für jugendliche Insassen wird erweitert. Freizeitbetreuung wird verstärkt von Mitarbeitern der Wiener Jugendgerichtshilfe übernommen werden.
  • Bessere Aufsicht. Die Informationspflicht der Anstalten wird erweitert. Zudem will man die Sicherheitsvorkehrungen verstärken. So wird ein eigener Nachtdienstposten in der Jugendabteilung der Josefstadt eingerichtet.
  • Schulungen für das Personal. Die Bediensteten soll fortgebildet, deren Sensibilität gesteigert werden. Für die Justizwache will man mehr Personal bereit stellen. Zahlen konnte die Ministerin allerdings noch nicht nennen. Zudem sollen neue Dienstzeitmodelle mehr Flexibilität bei den Justizwachebeamten schaffen.
  • Beschwerdemanagement. Für inhaftierte Jugendliche wird ein verbessertes Beschwerdemanagement eingeführt. Die Häftlinge werden über Anlaufstellen und Möglichkeiten gezielt informiert.
  • Alternativen zur U-Haft. Durch Unterbringung entweder in einer Wohngemeinschaft (eben dafür bedarf es der Kooperation mit der Stadt Wien) oder Hausarrest soll weniger Jugendhaft anfallen. In beiden Fällen wird voraussichtlich die elektronische Fußfessel eingesetzt werden.
  • Neues Gefängnis. Jene Anstalt, die bis 2017 im Großraum Wien errichtet wird, soll einen Jugend-Pavillon bekommen. Indes schließt Karl die von vielen Experten geforderte Wiedererrichtung des Jugendgerichtshofes praktisch aus.
  • Arbeit zur Haftvermeidung. Der Grundsatz „gemeinnützige Arbeit statt Haft" soll verstärkt angewendet werden.
  • Mehr Kooperation. Mit der Volksanwaltschaft wird stärker zusammengearbeitet. Damit Jugendliche nach Festnahmen durch die Familiengerichtshilfe oder die Kinder- und Jugendanwaltschaft vertreten werden können, sollen diese Einrichtungen verpflichtend über Verhaftungen informiert werden.
  • U-Haft besser abwägen. Die Jugendgerichtshilfe wird künftig eingebunden, bevor entschieden wird, ob U-Haft beantragt wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2013)

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