Türken: Jung, markenbewusst, offen

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Für türkische Migranten in Österreich ist beim Einkaufen die Qualität der Produkte wichtiger als der Preis, obwohl sie deutlich weniger verdienen als die Gesamtbevölkerung.

Wien/Kb. Sie verdienen zwar nicht so viel wie die österreichische Gesamtbevölkerung, aber sie sind jünger, aufgeschlossener gegenüber neuen Produkten und haben ein ausgeprägteres Markenbewusstsein. Das ist das Fazit einer Studie zum Konsumverhalten von Menschen mit türkischem Migrationshintergrund. Befragt wurden von GFK Austria 500 Türken der ersten und zweiten Generation.

Rund 275.000 Personen mit türkischen Wurzeln leben laut Statistik Austria in Österreich, das sind 3,3Prozent der Bevölkerung. Ihr Durchschnittsgehalt beläuft sich auf 1100 Euro, das der Gesamtbevölkerung auf 1480 Euro. Türkische Migranten verfügen über ein Konsumpotenzial von rund vier Milliarden Euro im Jahr. Davon müssten aber „besonders hohe Wohnkostenbelastungen“ abgezogen werden, betonte Studienleiterin Doris Kostera bei der Präsentation der Umfrage am Mittwoch: Migranten leben tendenziell eher in Städten, wo die Lebenskosten höher sind.

Obwohl Türken also durchschnittlich nur über vier Fünftel der Kaufkraft der Mehrheitsbevölkerung verfügen, achten zwei Drittel von ihnen beim Einkauf vor allem auf die Qualität – bei der Gesamtbevölkerung ist nur einem Drittel Qualität wichtiger als Preis.

Vor allem die junge Migrantengeneration orientiert sich in ihren Konsumwünschen stark an der Mehrheitsgesellschaft. Zumal ihnen mehr Geld als ihren Eltern zum Ausgeben zur Verfügung steht – rund ein Drittel der unter 30-Jährigen gab an, keine finanziellen Schwierigkeiten zu haben und es sich leisten zu können, ein Haus oder eine Wohnung zu kaufen. Da türkische Familien im Schnitt kinderreicher als österreichische sind, legen sie auf große Autos Wert, die zumeist von mehreren Familienmitgliedern genutzt werden.

Tuerken
Tuerken (C) DiePresse

Smartphones besonders beliebt

Größter Beliebtheit erfreut sich bei Türkischstämmigen das Smartphone. Zwei von drei, v.a. unter 40-Jährige, besitzen eines. Zum Vergleich: In der Gesamtbevölkerung sind es 58 Prozent. Bei der Nutzung von Social Networks stehen Türken Österreichern fast nicht mehr nach. 61Prozent nutzen Netzwerke wie Facebook, bei den Österreichern sind es 64 Prozent.

Aufholbedarf gibt es hingegen im Finanz- und Immobiliensektor. „Türkische Migranten besitzen im Durchschnitt weniger Finanzprodukte und legen ihr Geld vielfach nur kurzfristig an“, sagt Kostera. Bei Immobilien würden viele in den kommenden Jahren den Kauf eines Einfamilienhauses planen. Laut Statistik Austria besitzen nur 15 Prozent der türkischen Migranten eine eigene Wohnung oder ein Haus. 83 Prozent wohnen hingegen in Mietwohnungen. Bei der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund beläuft sich die Eigentumsquote hingegen auf 55 Prozent.

Die Mehrzahl (59Prozent) der türkischstämmigen Personen möchte laut Umfrage lieber auf Deutsch als auf Türkisch über Produkte und Dienstleistungen informiert werden. Denn 30 Prozent beherrschen nach eigener Einschätzung die deutsche Sprache bereits gut, und 29 Prozent sogar sehr gut (in Deutschland geben das nur 22 Prozent an). Acht von zehn haben zudem täglich Kontakt zur einheimischen Bevölkerung, mit der sie Deutsch sprechen.

Rudolf Bretschneider, langjähriger GFK-Chef und Berater der Studie, warnt Unternehmen davor, Angebote extra für Migrantengruppen auszuschildern. Viele würden nicht gern nur auf ihre Herkunft reduziert werden. Das Marken- und Qualitätsbewusstsein der türkischen Migranten führt er zu einem guten Teil auf die Abgrenzung durch den Status innerhalb der Community zurück. Das Bedürfnis nach Geltung und Differenzierung sei dann besonders groß, wenn man zum ersten Mal in die Nähe von Wohlstand komme.

Farbe bekennen bei Fußball

Interessant: Bei einem Fußballspiel Österreich gegen die Türkei halten 47 Prozent der Türken zur Türkei, elf Prozent zu Österreich und 33 Prozent zu beiden Ländern. In Deutschland hingegen unterstützen 78 Prozent der türkischen Migranten die Türkei, nur fünf Prozent Deutschland und elf Prozent beide Teams. Eine Begründung dafür hat Bretschneider nicht, nur vier mehr oder weniger ernst gemeinte Thesen: Türken sind in Österreich besser integriert; sie halten zu Österreich, weil sie wissen, dass von dieser Mannschaft keine Gefahr ausgeht; in der österreichischen Nationalmannschaft gibt es ohnehin genug Türken; sie haben das Konzept der Neutralität und Meinungslosigkeit verinnerlicht.

Auf einen Blick

Konsumverhalten. Zwei Drittel der türkischen Migranten achten beim Einkauf vor allem auf die Qualität, in der Gesamtbevölkerung ist nur einem Drittel Qualität wichtiger als der Preis. „Im Schnitt jünger als die österreichische Bevölkerung, aufgeschlossen gegenüber Neuem und mit großem Spaß am Einkaufen“, so lautet das Fazit einer Umfrage zum Konsumverhalten türkischer Migranten. Vor allem junge Migranten orientieren sich in ihren Konsumwünschen sehr stark an der Mehrheitsgesellschaft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2013)

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