Soziologe: Bild vom "noblen Wildschütz" veraltet

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Girtler sieht heute vor allem kriminelle Motive hinter der illegalen Pirsch im Wald. Der "klassische Wilderer" sei seit den 1980er-Jahren fast ausgestorben.

Der Raub von Wildbret wird seit mehr als tausend Jahren vom Gesetz bestraft. Doch das traditionelle Recht der Grundbesitzer auf Fleisch und Früchte ihres Waldes wird seit Beginn der Moderne gern in romantisch verklärter Literatur und Filmen angefochten, die den Wilderer nach Worten des Heimatschriftstellers Peter Rosegger zum "Freibeuter der Berge" verklären.

Der Soziologe Roland Girtler hält dieses Bild vom noblen Wilderer allerdings für veraltet, sagte er der Austria Presseagentur. Wo früher echte Wildschütze auf der Jagd gewesen seien, gebe es heute fast nur mehr reine "Raubschütze" mit kriminellen Motiven.

"Raubschütz" kommt im Auto

Der Wilderer modernen Typs interessiere sich nicht für das Fleisch der erlegten Tiere, sondern nur für Trophäen. Auch der Ehrbegriff früherer Zeiten gelte nicht mehr, glaubt der Soziologe, der sich wissenschaftlich mit der Wilderei befasst. Der "Raubschütz" bewege sich nicht mehr auf natürlichem Wege zu Fuß durch den Wald, sondern mit dem Auto, um gleich mehrere Tiere schießen zu können. Im Gegensatz zu früher seien dabei Muttertiere vor ihm nicht sicher und der Bestandsschutz gleichgültig. Und er scheue auch nicht vor Konfrontationen mit Jägern zurück.

Der klassische Wilderer, den es in Österreich bis in die 1980er-Jahre gegeben habe, sei gänzlich anders gewesen, sagte Girtler. Meist habe es sich um Angehörige der armen Landbevölkerung gehandelt, die aus wirtschaftlicher Not und auch aus Abenteuerlust in den Wald gingen. Als Beispiel kann der Osttiroler Pius Walder gelten, dessen Tod 1982 durch den Schuss eines Jägers bis heute Stoff für Legendenbildung liefert. Für Girtler war Walder der wohl letzte Wilderer alten Schlages. Das alte "Mannbarkeitsritual" der Wilderei sei seither der Geweih-Sammelwut einzelner gewichen.

(APA)

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