Klemens Maria Hofbauer: Der unbekannte Stadtpatron

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Erst beliebt, dann umstritten, heute vergessen: Vor hundert Jahren wurde Klemens Maria Hofbauer (zweiter) Wiener Stadtpatron. Daran erinnert ein neues, kleines Museum.

Bei einem Anruf im Büro des Wiener Kulturstadtrats ist die Antwort auf die Frage, was denn im Jubiläumsjahr von Klemens Maria Hofbauer so geplant sei, eine Gegenfrage. Hofbauer – wer?

Das ist nicht weiter schlimm. Denn so geht es vermutlich vielen Wienern, die nicht wissen, dass die Stadt neben dem heiligen Leopold noch einen Patron hat, dessen Ernennung sich heuer zum hundertsten Mal jährt.

Insofern wird der Zulauf zur neuen Attraktion der Kirche Maria am Gestade in der Inneren Stadt wohl eher bescheiden sein. Die Kirche erhält ein Museum, in Erinnerung an den Redemptoristenpater Klemens Maria Hofbauer. Bei der ersten Besichtigung führt der Provinzial der österreichischen Redemptoristen, Pater Lorenz Voith, durch die gotische Kirche zu ein paar niedrigen Räumen. Hier sind Infotafeln, Bilder und Gegenstände des Heiligen zu sehen. Später soll eine Sonderbriefmarke erscheinen.

Die Geschichte zu dem Gesicht auf der Marke begann 1751. Und mit einem anderen Namen: Johann Hofbauer war Sohn eines Fleischhauers aus Südmähren, der Bäcker lernte. Erst als Eremit nahm er den Namen Klemens Maria an, bevor er dann sein Theologiestudium in Wien absolvierte. 1785 trat er dem italienischen Redemptoristenorden, dessen Schwerpunkt auf Volksmission, Seelsorge und Armenfürsorge liegt, bei. Rasch wurde er zum Generalvikar aller transalpinen Niederlassungen ernannt. Ab 1788 predigte er in Warschau, gründete Schulen und Waisenheime, Klöster in Süddeutschland und der Schweiz. Erst nach den Wirren der napoleonischen Kriege kehrte er als 57-Jähriger nach Wien zurück.

Hier machte er rasch Karriere, war Pfarrer in der Minoritenkirche, der italienischen Nationalkirche, dann Rektor der Klosterkirche St. Ursula. Rupert Klieber, katholischer Kirchenhistoriker der Uni Wien, sagt: „Hofbauer hat Anfang des 19. Jahrhunderts ein religiöses Revival bewirkt. Damals war das kirchliche Leben sehr nüchtern. Kaiser Joseph II. hatte die Barockfrömmigkeit verbannt, in der Stadt noch mehr als auf dem Land. Hofbauer hat diese wiederbelebt. Mit seiner Begeisterungsfähigkeit hat er Menschen wieder für den katholischen Glauben gewonnen.“

In einer Zeit, in der Volksfrömmigkeit, Wallfahrten, Heiligenverehrung und Rituale stark eingeschränkt wurden, Orchestermessen verboten, ja, sogar die Kerzenanzahl in der Kirche limitiert war, hielt Hofbauer traditionelle Messen ab. „Seine Gottesdienste waren immer voll“, sagt Pater Voith. Und das, obwohl damals nur zwei Prozent der Wiener in die Kirche gingen.

Hofbauer bot in seinen Messen Blumen, Weihrauch und Werke von Mozart auf. Die barocke Pracht gefiel den Wienern. Hofbauer konnte gut predigen – und bekehrte auch Prominente. Er war, wie Biograf Otto Weiß sagt, zwar kein großer Gelehrter, aber pfiffig.

Von Metternich bespitzelt. Ein anderes Urteil über Hofbauer stammt aus den Polizeiarchiven. „Hofbauer ist ein gutmütiger, religiöser Fanatiker, welcher den Glauben an die Offenbarung Jesu Christi wieder lebendig zu machen zum großen Zweck hat.“ Die Geheimpolizei Metternichs bespitzelte Hofbauer und dokumentierte seine Predigten. Sie befinden sich heute noch im Staatsarchiv.

Im Museum sieht man neben persönlichen Gegenständen Hofbauers auch seinen Beichtstuhl, in dem prominente Beichtkinder wie Kaiserin Karoline saßen. Hofbauer war aber auch sozial tätig. Fast täglich trug er Brot und Suppe zu den Armen in die Vorstädte. Als in Warschau einmal das Essen für seine Schutzbefohlenen ausging, klopfte er ans Tabernakel: „Herr, hilf, es ist Zeit!“

In der Kirche selbst befindet sich rechterhand die Klemens-Kapelle mit seinem Reliquienschrein und einer Skulptur. Hofbauer fand erst nach seinem Tod den Weg hierher. Sein Ansehen war so groß geworden, dass 1819 Papst Pius VII. Kaiser Franz I. auf ihn ansprach. Kurz darauf bestellte ihn der Kaiser zur Audienz. Hofbauer nutzte die Chance und bat um Anerkennung des Redemptoristenordens sowie um die leer stehende Kirche Maria am Gestade. Die Zulassung erlebte er aber nicht mehr. Am 15. März 1820 starb er an Entkräftung, einen Monat später wurden die Redemptoristen zugelassen, die Kirche wurde ihnen übergeben.

Hofbauer wurde zuerst auf dem Maria Enzersdorfer Romantikerfriedhof in Niederösterreich bestattet. Erst 1862 kamen seine Gebeine nach Maria am Gestade. 1862 begann auch der Seligsprechungsprozess, in einer Zeit, als der Papst gegen Moderne und Aufklärung kämpfte.

Pater Voith erklärt: „Hofbauer wurde im 19. Jahrhundert instrumentalisiert, zum Überwinder der Aufklärung und Vater der Gegenreformation stilisiert.“ Dabei, so Kirchenhistoriker Klieber, „hatte er viele Intellektuelle inspiriert und deren Konversion bewirkt. Diese setzten sich für seine Seligsprechung ein. Später wurde er von der christlichsozialen Partei als Symbol für ein katholisches Wien verwendet.“

1882 erfolgte Hofbauers Selig-, 1909 seine Heiligsprechung. Das erste Ansuchen, ihn zum Wiener Stadtpatron zu erheben, wurde von der Ritenkongregation 1913 abgelehnt. Erst im zweiten Anlauf klappte es: Am 14. Jänner 1914 wurde Hofbauer Stadtpatron Wiens. Allerdings nur zum zweiten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2014)

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