Die neuen Stadttreffs? Büros!

(c) Isabelle Saurer)
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Immer mehr Menschen, vor allem Kreative, inszenieren ihren Arbeitsalltag öffentlich. Zeit wird's, meinen Experten.

WIEN. „Die Stadt hat einen neuen Ort“, hieß es kokett in der Ankündigungs-E-Mail. Davon, dass er gut versteckt in einem Innenhof liegt, war allerdings keine Rede. „Ja, die Schilder fehlen, aber die kommen bald“, sagt Michael Pöll.

Pöll ist einer der Initiatoren des kürzlich eröffneten Kreativparks „Rochuspark“ in Wien-Landstraße. Nach Schraubenfabrik und Hutfabrik ist es die dritte „Büro-WG“ (siehe unten), die er betreut. Neu ist diesmal, dass auch die Öffentlichkeit mit an Bord ist: So gibt es hier, im Hof der früheren Schmiede, auch einen Modeshop, ein kleines Restaurant („Frischzelle“) und einen Clubraum, der demnächst bespielt werden soll. Irgendwie sei es Zufall gewesen – „die Räume waren eben da“ –, sagt Pöll. Irgendwie aber auch nicht: „Wir haben schon früher bei uns Veranstaltungen gemacht, Freunde eingeladen. Das Feedback war immer gut. Uns gefällt diese Schnittstellenidee.“

Der Cappuccino-Faktor

Und nicht nur ihnen. Immer mehr Menschen arbeiten gern öffentlich. Wer Beispiele will, muss nur durch den siebenten Bezirk Wiens spazieren. Dort haben Architekten und Grafiker längst das einst ungeliebte Erdgeschoß erobert und lassen sich beim Arbeiten durch das Schaufenster zusehen. Eine andere beliebte Variante ist, die Öffentlichkeit mittels eigenen Restaurants hereinzubitten – etwa beim Media Quarter Marx (Karin Resetarits führt dort das Restaurant), bei der technikaffinen Firma Drahtwarenhandlung oder (bald) auch im ältesten Kreativpark der Stadt, der Alpenmilchzentrale auf der Wieden.

„Öffentliches Arbeiten liegt im Trend, vor allem bei Kreativen“, sagt Norbert Kettner, Noch-Geschäftsführer der Förderstelle für Kreativwirtschaft „Departure“. (Kettner wechselt mit 1.September in das Amt des Wiener Tourismus-Direktors.) Denn gerade die seien es ja gewohnt: Weil die Branche kleinteilig ist und viele über kein Büro mit Besprechungszimmer verfügen, traf man sich schon immer in Cafés, um über Cappuccino&Co. Geschäftliches zu diskutieren. Eine Gewohnheit, die im eigenen Lokal dann gern fortgesetzt wird. „Kreative brauchen einfach ein lockeres, angenehmes Ambiente“, sagt Marx-Mitbegründer Martin Kraml.

Es gibt aber auch noch andere, kalkulierte, Gründe. Kettner: „Natürlich wird damit ein Image präsentiert. Während bei Banken der Marmoranteil zählt, geht es hier um Lifestyle, der ausgestellt wird.“ Obligater Wuzler inklusive. Zumindest bei den Kreativparks ist die Öffnung nach außen ein fast logischer Schritt. Die Gemeinschaft, die bereits für „innen“ inszeniert wurde (Pöll: „Wir verkaufen keinen Büroplatz, sondern Community“), wird nun auch hergezeigt. Virtuell passiert das schon lange – durch Netzwerke, aufwendig-selbstbewusste Websites...

Wien, die introvertierte Stadt

Tatsächlich hat Wien Aufholbedarf punkto Gassenleben, meint Stadtforscherin Heidrun Feigelfeld: „Im Vergleich zu New York oder Berlin sind wir ja eine recht introvertierte Stadt.“ Für Wien selbst sei die Entwicklung nur gut. Zum einen wegen der Belebung des Grätzels, zum anderen, weil sie nun einmal die – nicht unproblematische – Realität widerspiegle: „Die Trennung von Arbeit und Freizeit wird immer fließender. Das wird nun auch in der Stadt ausgedrückt.“

Wobei, so einfach ist das Gassenleben in der Praxis auch nicht. Da sind die Anrainer, auf die Rücksicht genommen werden muss. Da sind die Behörden, die bei einem Konzessionen-Mix – wie etwa beim Shop/Bar/Büro-Betrieb Mon Ami – anfangs oft Schwierigkeiten machen. Da sind die schönen Veranstaltungen, die aber leider nicht profitabel sind. Da ist die Zeit, die – wie etwa im Fall der Bürogemeinschaft „Yurp“ – dann im Alltag für ein „Es wäre aber schon nett“-Café fehlt. Und da ist die Arbeit, die so nebenbei auch noch erledigt werden muss. Deswegen – Schnittstelle hin, Öffentlichkeit her: „Im Foyer zu den Büros“, sagt Pöll, „ist für die Allgemeinheit erstmal Schluss.“

LEXIKON: Gemeinschaftsbüro

Modell: Auf einer großen Bürofläche, oft in ehemaligen Industrie- oder Gewerbebauten, werden Arbeitsplätze an Ein-Personen-Unternehmen vermietet, die nicht mehr allein zu Hause arbeiten wollen. Beispiele dafür sind etwa die Hutfabrik, die Schraubenfabrik oder der Rochuspark. Neben der Infrastruktur sind im Package inbegriffen: Gemeinschaftsgefühl wie Betriebsausflüge, Weihnachtsfeiern und die Einbindung in ein Netzwerk. [Isabelle Saurer]

www.rochuspark.at("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2007)

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