"Wir brauchen mehr Moscheen"

Die Presse (Clemens Fabry)
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Anas Schakfeh: Es gibt zu wenig finanzielle und politische Unterstützung. Omar Al-Rawi (SPÖ) will, dass Muslime auch „sichtbar werden“.

Wien(red.). „Mit Sicherheit brauchen wir neue Moscheen.“ Mit dieser knappen Feststellung lässt Anas Schakfeh, Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ), im „Presse“-Interview aufhorchen. Konkrete Pläne gebe es aber noch nicht, es fehle die finanzielle und politische Unterstützung.

Die Zahlen geben Schakfeh Recht. So müssen die knapp 400.000 Moslems Österreichs mit zwei Moscheen (Wien und Telfs in Tirol) und rund 200 Gebetsräumen auskommen. Das bedeutet, dass sich statistisch gesehen 2000 Gläubige einen Versammlungsort teilen. Zum Vergleich: Den 5,6 Millionen Katholiken stehen insgesamt 8000 Kirchen zur Verfügung, was einem Schnitt von 700 Gläubigen pro Gotteshaus entspricht.

Noch schwieriger ist die Situation im von rund 150.000 Moslems bevölkerten Wien. Dort beträgt das Verhältnis von Gebetsräumen zu Gläubigen 1:3000 (Katholiken: 1:1300), Moschee gibt es nur eine. Ein Zustand, der bei der Stadtverwaltung nach Maßnahmen schreit? Nein, im Wiener Rathaus betont man, für den Bau von Gotteshäusern nicht zuständig zu sein.

Omar Al-Rawi, Integrationsbeauftragter der Islamischen Glaubensgemeinschaft Österreichs und SP-Gemeinderat in Wien, sieht allerdings durchaus Handlungsbedarf: „Die Gebetshäuser haben nicht mehr genug Kapazität. Es ist an der Zeit, eine zweite Moschee zu bauen und eine ehrliche Diskussion darüber zu führen, dass Muslime sichtbar werden.“

Er schränkt aber ein: „Eine zweite Moschee steht auf der Prioritätenliste nicht an der obersten Stelle.“ Und: Er wolle die Debatte nicht künstlich anheizen. Trotzdem wird der Druck für die Errichtung neuer Moscheen in Zukunft stark zunehmen. Bereits heute ist der Islam mit einem „Marktanteil“ von fünf Prozent nur knapp hinter den Protestanten die drittgrößte Religionsgemeinschaft im Land.

Prognose: 26 Prozent Moslems

Eine Studie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften prognostiziert für das Jahr 2026 – je nach Zuwanderung – einen Anteil zwischen acht und zwölf Prozent, für 2051 einen Anteil von 26 Prozent. Der Anteil der Katholiken soll sich bis dahin von heute 74 Prozent auf bis zu 58 Prozent verringern.

Während es in den USA bei der Errichtung der 1200 bestehenden Moscheen kaum Proteste gegeben hat, wird die Diskussion in Europa und eben auch in Österreich äußerst emotional geführt. Zuletzt ließen Gerüchte um den Bau einer Groß-Moschee in Wien-Ottakring die Wogen hochgehen, die Lautstärke des Muezzin in der bestehenden Moschee am Hubertusdamm sorgt immer wieder für Probleme mit Anrainern.

Generell sind die Österreicher äußerst skeptisch, wenn es um den Islam geht. So kam eine vom deutschen Islam-Experten Mathias Rohe im Auftrag des Innenministeriums durchgeführte Integrationsstudie zu der Erkenntnis, dass 40 Prozent den Islam für „rückständig oder gefährlich“ halten. Ein Viertel der Bevölkerung sieht den Islam betont positiv, der Rest hat keine Meinung.

Laut dem Wiener Institut für Konfliktforschung hat diese Skepsis weniger mit Verdrängungsängsten der christlich geprägten Leitkultur zu tun, sondern ist viel mehr auf Ressentiments gegenüber Ausländern zurückzuführen.

Der formale Status ist eindeutig: Der Islam ist in Österreich ebenso öffentlich-rechtlich anerkannt wie zum Beispiel die katholische oder die evangelische Kirche und hat daher beim Bau von Gotteshäusern auch dieselben Rechte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2007)

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