Wenn Kinder geschlagen werden: Jeder kann helfen

APA (Haral Schneider)
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Der Fall des 17 Monate alten Luca, der vom Freund seiner Mutter geschlagen wurde und starb, wirft die Frage auf, wie solche Fälle verhindert werden können. Professionelle Hilfe gibt es überall.

Fast täglich wird in den Medien über Fälle von Gewalt und Missbrauch an Kindern und Jugendlichen berichtet. Die Zahl derer, über die nicht berichtet wird, ist um ein vielfaches höher. Erst vor ein paar Tagen starb in Wien der 17 Monate alte Luca, der vom Freund der Mutter geschlagen wurde. Immer wieder wird dabei die Frage aufgeworfen, wieso Behörden, Familien oder Bekannte nicht früher eingeschritten sind. Kinder zu schützen, ist jedoch keine einfache Aufgabe.

Jedem Hinweis wird nachgegangen

„Zivilcourage ist das Mittel, das man braucht", sagt Daniela Atwood von der Magistratsabteilung Elf in Wien, dem Amt für Jugend und Familie. Die Behörde hat eine eigene Vorgehensweise entwickelt, um möglichst effektiv gegen Gewalt, Vernachlässigung und Missbrauch von Kindern vorzugehen. „Wir haben uns gefragt, wie kann man verhindern, dass Missbrauch zum Tod führt", erklärt Atwood. In Wien wird daher jeder Meldung nachgegangen. Egal, ob ein Nachbar, jemand aus der Familie oder ein Freund bei der MAG ELF anruft, ob der Anrufer seinen Namen angibt oder anonym bleibt.

Jeweils zwei Sozialarbeiter rücken dann aus und sprechen mit der Familie. „Von Angesicht zu Angesicht", sagt Atwood. Wenn die Kinder jünger als sechs Jahre sind, werden sie ärztlich untersucht. „Je früher die Misshandlung stattfindet, desto schlimmer", erklärt die Sozialarbeiterin. Bei älteren Kindern kann man im Gespräch feststellen, ob sie geschlagen, missbraucht oder vernachlässigt werden.

Die schwierigste Frage

Und dann kommt der schwierigste Teil für die Sozialarbeiter, nämlich die Frage: „Wann muss man intervenieren?" Wenn ein Kind ungewöhnlich verängstigt oder aggressiv ist, blaue Flecken hat, die die Eltern nicht recht erklären können, dann „muss es raus" aus der Familie. Es wird dann in einer Pflegefamilie oder im Krisenzentrum untergebracht. Aber generell gilt: „Man muss das gelindeste Mittel einsetzen", erklärt Atwood. „Jede Fremdunterbringung ist traumatisierend."

Wichtig ist, verschieden vozugehen, je nachdem ob Missbrauch oder Gewalt vorliegt. "Das sind zwei Paar Schuhe", sagt Elke Prochazka von der telefonischen Beratungsstelle "Rat auf Draht". "Bei Missbrauch ist es wichtig, dass man nicht vorschnell handelt." Die Täter schüchtern ihre Opfer meist ein und versuchen, ihre Spuren zu verwischen, wenn sie sich ertappt fühlen. Man soll in diesem Fall langsam Kontakt zum betroffenen Kind aufnehmen, rät Prochazka. Wichtig sei, eine gemeisame Lösung mit ihm zu erarbeiten. "Erwachsene wollen sofort etwas tun - das Kind bleibt dann oft auf der Strecke."

Dass es auch Fehleinschätzungen gibt, zeigt der Fall von Luca. Zwei Mal wurde er von der Jugendwohlfahrt Tirol geprüft - beide Mal ohne Ergebnis. Der Misshandlungsverdacht konnte in den Untersuchungen nicht erhärtet werden, verteidigt sich die Jugendwohlfahrt. In Wien will man den Fall nicht kommentieren.

Kontakt aufnehmen

Aber auch als Nachbar kann man etwas tun, das über die Meldung bei einer Sozialstelle hinausgeht: mit der Mutter Kontakt aufnehmen. „Aber nie direkt darauf ansprechen, ob sie oder die Kinder geschlagen werden", rät Atwood. Stattdessen „offene Fragen stellen. Wenn sie Vertrauen gefasst hat, anbieten, dass sie ein Zeichen schickt, wenn etwas passiert. Etwa drei Mal an der Wand Klopfen bedeutet: 'Bitte hol die Polizei!'". Ansonsten gilt: „Wenn man hört, dass jemand in Todesangst schreit, dann sollte man sofort die Polizei rufen, rübergehen und anläuten." Da wäre man wieder bei der Zivilcourage.

ANLAUFSTELLEN

WIEN
MAG ELF
Telefon: 01-4000-8011

Kriseninterventionszentrum:
Telefon 01/406 95 95-0

KÄRNTEN:
Kriseninterventionszentrum:
Telefon: 0463/310 021

NIEDERÖSTERREICH
Krisen- & Beratungszentrum Wiener Neustadt
Mobil 0664/386 46 31
Telefon 02622/24 495

OBERÖSTERREICH
Kriseninterventionszentrum
Telefon 0732/21 77

SALZBURG
KIWI Kinderwohn- und Krisenstelle
Telefon 0662/66 40 90

Krisenstelle für Jugendliche Salzburg
Telefon 0662/45 32 66

STEIERMARK
Tartaruga
Zuflucht- und Beratungsstelle für Jugendliche in Krisensituationen
Telefon 0316/77 25 26

TIROL
Kriseninterventionszentrum für Kinder und Jugendliche Innsbruck
Telefon 0512/58 00 59

VORARLBERG
Notschlafstelle "Dowas"
Telefon 05574/52 205

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