Multiversum: Chaos in Schwechat

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Ein gestern veröffentlichter Prüfbericht attestiert früheren Gemeindefunktionären massive Kompetenzüberschreitungen. Auch der Schwechater Gemeinderat steht in der Kritik.

Wien/Schwechat. Schwechat: 17.000 Einwohner, dank Flughafen und Raffinerie im Stadtgebiet eine der einkommensstärksten Gemeinden Österreichs, läuft Gefahr, auch seine notwendigsten Ausgaben nicht mehr bedienen zu können. Die Gründe dafür legt der Rechnungshof in einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht schonungslos offen: Misswirtschaft und Inkompetenz gepaart mit Großmannsucht. Das führte am Mittwoch laut „Kurier" auch zu einem Einsatz der Kriminalpolizei im Schwechater Rathaus, wo Büros durchsucht wurden - die Staatsanwaltschaft Korneuburg ermittelt wegen Untreue.

Das desaströseste Vorhaben, das die Haftungen der Stadt binnen vier Jahren von 3,9 auf 28,8 Millionen Euro explodieren ließ, ist das Multiversum, eine Mehrzweckhalle, die vor allem als Heimat für die Sportakademie von Tischtennisstar Werner Schlager konzipiert war. Aber auch andere Veranstaltungen - Konzerte, Vorträge oder die UVP-Verhandlung für die dritte Piste des Flughafens fanden in der 2011 eröffneten Halle bereits statt.

Was im Jahr 2013 mit gewaltigen Haftungsübernahmen und einer Finanzspritze von 2,4 Millionen Euro durch die Gemeinde ein vorläufiges - die langfristigen Kosten für die Gemeinde kann noch niemand beziffern - Ende nehmen sollte, stand aus Sicht des Rechnungshofes schon von Anfang an unter einem schlechten Stern: Als der Gemeinderat das Projekt 2007 absegnete - neben der absoluten SPÖ-Mehrheit trugen auch ÖVP und Grüne das Vorhaben mit, die einzige Gegenstimme kam aus der FPÖ - lag nur ein „erster Entwurf des Businessplans" vor, der sowohl eine Riskenanalyse als auch einen Personalkosten- und Finanzplan missen ließ. „Diskrepanzen in den dargelegten Zahlen hinterfragten die Mitglieder des Gemeinderats ebensowenig wie den Umstand, dass die Planung (!) für die Veranstaltungshalle einen Gewinn erwarten ließ", vermerkt der Rechnungshof in seinem Bericht trocken.

Gut möglich, dass der damalige SPÖ-Bürgermeister und Nationalrat Hannes Fazekas - er ist inzwischen infolge der Probleme zurückgetreten - sowie der Ex-Multiversum-Geschäftsführer und Vizestadtamtsdirektor in Personalunion, Franz Kucharowits, den Gemeinderat deswegen kaum mehr mit lästigen Details befassten: Die Palette der Beanstandungen durch den Rechnungshof reicht von „Überschreitung der Vertretungsbefugnis des Bürgermeisters" über „Nichteinholung aufsichtsbehördlicher Genehmigungen" bis zu unzulässiger Ausübung des Notverordnungsrechts durch den Bürgermeister.

Hausdurchsuchung im Rathaus

So hatte die Gemeinde Schlagers Akademie 2008 per „Kooperationsvertrag" die Miete für die ganzjährige Nutzung des Multiversums erlassen - für die ursprünglich dafür angesetzten 730.000 Euro pro Jahr wurden rund zehn Millionen Euro an Bundes- und Landesförderungen angerechnet. Ein Detail, mit dem der Gemeinderat aber nie bemüht wurde: In dessen Beschlüssen war immer die Rede von sowohl dem Empfang von Förderungen als auch der laufenden Einnahme durch die Vermietung an die Schlager-Akademie.

Weiters attestiert der Rechnungshof der Multiversum-Betreibergesellschaft Chaos hinter den Kulissen: Ein Beschluss der Bilanz 2008 sei bisher unterblieben, die Bilanzen der Jahre 2009 und 2010 hätten lediglich die eingeschränkte Zustimmung eines der drei Gesellschafter erhalten. Der Jahresabschluss 2011 sei noch nicht beschlossen worden - bei der Erstellung dieser Bilanz gab die Geschäftsführung an, dass die Gesellschafter zu Zuschüssen verpflichtet waren - obwohl er wusste, dass das nicht durch die Beschlüsse des Gemeinderates gedeckt war.

Allein bis 2012 hatte das Projekt statt der vom Gemeinderat beschlossenen 36 Millionen Euro bereits mehr als 55 Millionen verschlungen (zuletzt wies Schwechat jährliche Einnahmen von 66 Millionen aus). Während die Gemeinde nun mit juristischem Beistand nach Möglichkeiten sucht, sich so weit wie möglich schadlos zu halten, dürfte das Multiversum also ein Fall für die Justiz werden: Die Staatsanwaltschaft Korneuburg ermittelt wegen Verdachts auf Untreue; am Dienstag und Mittwoch ist es sowohl in der Veranstaltungshalle als auch im Schwechater Rathaus zu Hausdurchsuchungen gekommen.

AUF EINEN BLICK

Der Rechnungshof hat am Mittwoch seinen Bericht zum finanziell angeschlagenen Multiversum, einer 2012 eröffneten Mehrzweckhalle in Schwechat, vorgelegt. Die Prüfer stellten fest, dass in zahlreichen Fällen der ehemalige Bürgermeister Hannes Fazekas (SPÖ) sowie Ex-Vizestadtamtsdirektor Franz Kucharowits ihre Kompetenzen überschritten und ohne Befassung des Gemeinderat Zahlungsverpflichtungen eingegangen sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2014)

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