Asylgerichtshof: Asylrichter auf dem Abstellgleis

(c) AP (Kerstin Joensson)
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Ein Jurist soll nicht in den Asylgerichtshof übernommen werden, weil er sich für Verfahren Zeit lässt. Und: Schon lange fällt er als besonders kritisch auf.

WIEN. Die Karriere des Asylrechts-Juristen Josef Rohrböck könnte vor ihrem jähen Ende stehen. Der 50-Jährige ist eines von 51 Mitgliedern im Unabhängigen Bundesasylsenat (Ubas), in der Berufungsinstanz für Asylverfahren. Er behandelt Asylfälle seit 1987 – aber möglicherweise nicht mehr lange: Denn in einem vier Seiten langen Brief („elektronisch gefertigt“ von einem Beamten des Bundeskanzleramts am 13. Mai 2008) wird ihm mitgeteilt, dass im Bundeskanzleramt ein Verfahren eingeleitet worden sei, ihn nicht in den Asylgerichtshof zu übernehmen. Die „persönliche und fachliche Eignung“, heißt es, sei nicht gegeben.

Asylgerichtshof startet im Juli

Hintergrund: In der Asyl-Berufungsinstanz stapeln sich weit mehr als 20.000 unerledigte Fälle, viele von ihnen harren seit Jahren ihrer Behandlung. Der Grund für den Rückstau: Anders als in gewöhnlichen Gerichtsverfahren kann der Ubas nicht an die Erstinstanz zurück verweisen, um neu verhandeln zu lassen, sondern muss selbst Fall für Fall aufrollen. Im vorigen Herbst hat Ubas-Chef Harald Perl in einem Mitarbeiterbrief „eine Belohnung in der Höhe von insgesamt 1500 bis 2500 Euro“ ausgelobt, sofern mehr Fälle übernommen und erledigt würden. Perl hatte damals in der „Presse“ allerdings versichert, Tempo könne keinesfalls auf Kosten der Qualität der Verfahren gehen.

In wenigen Wochen – mit 1.Juli – nimmt der „Asylgerichtshof“ seine Arbeit auf, der den Ubas ersetzen wird. Dessen Mitglieder haben per Gesetz einen Rechtsanspruch eingeräumt bekommen, übernommen zu werden – es sei denn, es mangle den Kandidaten an „persönlicher und fachlicher Eignung“.

In einem der nächsten Ministerräte, möglicherweise bereits am kommenden Mittwoch, sollen dessen Mitglieder von der Regierung endgültig bestellt werden.

Nach derzeitigem Stand der Dinge ist Rohrböck wohl nicht auf dieser Liste, zumal – so heißt es in dem Brief aus der Vorwoche – im Geschäftsjahr 2007 die Aufzeichnungen lediglich 106 „Verfahrensabschlüsse“ Rohrböcks aufweisen. „Dies entspricht nur rund 36 Prozent der Abschlüsse der übrigen Senatsmitglieder.“ Am Rande erwähnt wird, dass der Jurist mehrere Monate krankheitshalber ausgefallen gewesen ist.

„In erster Linie aufs Tempo gedrückt“

Rohrböck ist intern kein unbeschriebenes Blatt: Denn als er 1987 mit seiner Arbeit im Innenministerium begann, war er der erste Jurist, der in Berufungsverhandlungen auch Anhörungen durchführte – 19 Jahre nachdem das erste Asylgesetz Österreichs in Kraft getreten ist. Und in den 1990er Jahren hob er im Berufungsverfahren, das damals noch im Innenministerium abgewickelt wurde, Entscheidungen der ersten Instanz (ebenfalls im Innenministerium) auf. Sehr oft war Auslöser für diese Aufhebungen, dass die Freiheit unbescholtener Asylwerber eingeschränkt wurde – aufgrund einer entsprechenden Weisung des Innenministeriums. Chef der zuständigen Sektion im Innenressort war damals Manfred Matzka. Rohrböck wurde in den 90er-Jahren im Ministerium zu einer anderen Verwendung versetzt.

Mittlerweile ist Manfred Matzka Sektionschef im Bundeskanzleramt. Und bei ihm laufen die Fäden zur Übernahme der Ubas-Senatsmitglieder in den Asylgerichtshof zusammen.

Rohrböck fühlt sich unter Druck gesetzt und vermutet, dass im Asylgerichtshof „in erster Linie aufs Tempo gedrückt“ werden solle, nicht auf die Qualität der Verfahren geachtet. Gute Entscheidungen brauchten unter Umständen eben auch Zeit, meint er, und kündigt an, für seine Übernahme in den Asylgerichtshof kämpfen zu wollen.

Andere Verwendungen, die ihm angeboten worden sind, lehnt er ab, zumal er nicht in eine weisungsgebunde Funktion wechseln will. Der Jurist betreibt nicht nur eine Homepage, auf der er sich wissenschaftlich (und kritisch) mit der heimischen Asylgesetzgebung auseinander setzt, sondern hat bereits 1994 ein Buch veröffentlicht, in dem er das Asylgesetz 1991 zerpflückt hat. Einer der Hauptautoren dieses Gesetzeswerks: Manfred Matzka. Und: Rohrböck schreibt bereits an einem weiteren Buch zum Thema, konkret: ein Werk über den Asylgerichtshof.

„Viele Variablen im Spiel“

Der 50-Jährige hat renommierte Fürsprecher. Manfred Nowak, Leiter des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte und UN-Sonderberichterstatter über Folter: „Ich habe Rohrböck sicher nicht als faulen Menschen kennen gelernt, sondern als sehr gewissenhaften Juristen.“ Rohrböck sei ein „ausgezeichneter Asylrechtler“ und habe „gute Entscheidungen gefällt“, die auch an Höchstgerichten bestätigt worden seien, so Nowak.

Sektionschef Manfred Matzka meinte zur „Presse“, dass die Bestellung für den Asylgerichtshof „eine Entscheidung der Regierung“ sei und ein weiterer Kommentar im jetzigen Stadium „müßig“ sei. Und es seien „viele Variablen im Spiel, die momentan nicht entscheidungsreif sind“.

AUF EINEN BLICK: Berufungsrichter im Visier

Im Juli nimmt der Asylgerichtshof – Berufungsinstanz für Asylverfahren – seine Arbeit auf. Die Mitglieder des Unabhängigen Asylsenats, die Berufungen bis dahin bearbeiten, haben ein verbrieftes Recht, in den neuen Gerichtshof übernommen zu werden – es sei denn, es mangelt an der Eignung. Eben die wird nun Josef Rohrböck (Foto)abgesprochen. Der Jurist ist aufgrund seiner kritischen Einstellung im Innenministerium bereits öfters angeeckt. Er wehrt sich dagegen, auf einen weisungsgebundenen Posten versetzt zu werden. Die Letzt-Entscheidung fällt im Ministerrat. [Privat]

www.asylum-online.at/("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2008)

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