Vorzeige-Staatsanwalt als einsamer Korruptionsjäger

walter geyer
walter geyer(c) Clemens Fabry
  • Drucken

Staatsanwalt Walter Geyer wird oberster Korruptions-Bekämpfer. Fehlt nur noch die zugehörige Behörde.

Sakko, Hemd (manchmal Krawatte), Jeans. Ein wissendes Lächeln auf den Lippen. Hellgraues Haar, hellgrauer Schnauzbart, der sich an den Mundwinkeln vorbei nach unten zieht. Nie ruppig. Immer mit der feinen Klinge kämpfend. So kennt man ihn (nicht nur in der Justiz). Nun steht Staatsanwalt Walter Geyer (60) vor einem bemerkenswerten Karriereschritt: Er wird so gut wie sicher (erster) oberster Korruptionsbekämpfer Österreichs.

Unter der sperrigen Bezeichnung „Korruptionsstaatsanwaltschaft“ (KStA) ist per Gesetz mit 1.Jänner 2009 eine Sonder-Anklagebehörde einzurichten. Dafür braucht es einen Behördenleiter. Der Job scheint Geyer wie auf den Leib geschnitten. Der Haken an der Sache: Durch die Nationalratswahl fiel die obligate Budget- und Dienstposten-Verhandlung aus, sodass vorerst nur mit dem Einsatz eines kleinen Rumpfteams zu rechnen ist. Richtig loslegen dürfte die KStA erst Mitte 2009.

Derzeit steht noch immer nicht fest, wie viele Strafverfolger die in Wien anzusiedelnde Behörde überhaupt bekommt. Nicht einmal der genaue Standort ist fix. Klar ist: Die KStA wird Korruptionsfälle bundesweit verfolgen.

Korruption also. Kaum ein anderer Jurist Österreichs hat sich sowohl beruflich als auch in diversen Diskussionsbeiträgen so intensiv mit dem Thema befasst wie Geyer. Als der KStA-Chefposten ausgeschrieben wurde, war er dann auch der einzige Bewerber. Justizministerin Maria Berger (SP) hat den kommissionellen Besetzungsvorschlag, lautend auf „Mag. Walter Geyer“, bereits unterschrieben. Die endgültige Ernennung liegt beim Bundespräsidenten.

Als Grüner im Parlament

Wer ist dieser Geyer? Das fragte man sich erstmals 1986, als aus einem Staatsanwalt ein Nationalratsabgeordneter wurde. Damals zogen die Grünen unter Freda Meissner-Blau ins Parlament ein und suchten Experten, die mitziehen. Auch einen guten Juristen. Wer wäre (fürs grüne Rebellen-image) geeigneter gewesen als ein Mann, der sich als streitbarer „Androsch-Jäger“ hervorgetan hatte? Geyer trieb das Finanzstrafverfahren gegen Ex-Finanzminister Hannes Androsch voran.

Der wendige Quereinsteiger wurde gleich stellvertretender Grün-Klubobmann. Noch heute redet man von seiner Rede. Es war die Rede, die Mutter aller Parlamentsreden. Neun Stunden nonstop trommelte Geyer gegen das Waldsterben. Die Mutter aller Reden wurde zur Mutter der Redezeitbeschränkung. 1988 war der Ausflug ins Parlament vorbei. Geyer wurde wieder Staatsanwalt.

Insgesamt zehn Jahre kämpfte er gegen Wirtschaftskriminalität. Dann gegen organisierte Kriminalität. Gegen Jugendkriminalität. Gegen allgemeine Kriminalität. Derzeit leitet Geyer die Staatsanwaltschaft Korneuburg (die bald einen neuen Chef suchen muss).

Der Mann der donnernden Plädoyers ist der Literaturfreund keineswegs; im Gerichtssaal tritt Geyer, der sich selbst als „analytisch“ und „vorsichtig“ bezeichnet, besonnen bis leise auf. Selbst wenn (uneinsichtige) Angeklagte förmlich danach schreien – persönliche Angriffe reitet Geyer nie.

Apropos Vorsicht: Warum der zweifache Vater KStA-Leiter werden will? Noch ist es ja nicht amtlich, daher nur so viel: „Weil es mich interessiert!“ Weisungsfrei wird er allerdings nicht gestellt. Er verstehe nicht, sagte Geyer in einer „Presse“-Diskussion ums Weisungsrecht, wieso an der Spitze der Weisungskette ein Politiker stehen müsse. Ansonsten dürfte Geyer mit der Ämterhierarchie kein Problem haben. Schon vor gut 20 Jahren klebte an seiner Bürotür ein Pickerl mit der provokanten Aufschrift „I love Weisungen“.

ZUR PERSON: STAATSANWALT WALTER GEYER

Der Leiter der Staatsanwaltschaft Korneuburg, Walter Geyer, wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit oberster Korruptionsjäger Österreichs. Er soll die neu zu schaffende, bundesweit agierende „Korruptionsstaatsanwaltschaft“ leiten.

Geyer wurde am 30.11. 1947 in Wien geboren. Ende der 70er-Jahre begann seine Karriere bei der Staatsanwaltschaft Wien. 1986-88 war er Vize-Klubobmann der Grünen.
Der Literatur-Fan hat zwei erwachsene Kinder.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.