„Kinder werden bereits wegen eines Streichs angezeigt“

Jugendforscher Heinzlmaier ist überzeugt: Kinder sind nicht krimineller als früher.

WIEN (stu). Die Kriminalität in Österreich sinkt, die Anzeigen gegen Jugendliche dagegen steigen massiv. Hat unsere Gesellschaft ein ernsthaftes Problem?

Ein klares „Nein“ kommt von Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier: „Wir verwechseln hier die Statistik mit der Realität.“ Heinzlmaier: „Zehn- bis 14-Jährige werden heute deutlich öfter angezeigt als in früheren Zeiten, als man viele Dinge noch als Lausbubenstreich gesehen hat.“ Warum? „Diese Dinge sind früher unter der Hand geregelt worden, heute wird sofort zur Polizei gegangen und angezeigt.“ Aus diesem Grund könne man nicht sagen, dass die Jugendlichen in Österreich krimineller geworden sind – selbst wenn Erwachsene das gerne behaupten würden. Aber das habe einen Grund, sagt Heinzlmaier der „Presse“: „Erwachsene brauchen oft eine Projektion, ein Bild, auf das sie ihre Aggressionen richten können, wo sich die eigene Unzufriedenheit entlädt.“ Und das seien heute Jugendliche. Im Übrigen sei das derselbe Mechanismus, den manche politische Parteien (nicht nur) im Wahlkampf verwenden würden. Dort seien nicht Jugendlichen, sondern Ausländer Projektionsfläche und Sündenbock.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2008)

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