Verdacht: OMV und Politik im Visier der Ostspione

Dokumente lassen den Schluss zu, dass die Anwaltskanzlei Lansky, Ganzger und Partner in der Causa Alijew Druck auf den Ölkonzern OMV sowie Spitzenpolitiker ausgeübt haben könnte. Im Auftrag von Kasachstans Geheimdienst. Lansky bestreitet das.

Wien. Die Causa Alijew ist längst so etwas wie ein Krimi mit einem starken Bezug zur Realität. Nun könnte zu der gleichermaßen spannenden wie undurchsichtigen Geschichte das Attribut „Agententhriller“ hinzukommen. Schauplatz: die höchsten wirtschaftlichen und politischen Kreise der Republik.

Abzuleiten ist dieser Verdacht gleich aus mehreren Dokumenten. Am Freitag veröffentlichte „Die Presse“ ein Schreiben der Wiener Anwaltskanzlei Lansky, Ganzger und Partner an den österreichischen Ölkonzern OMV. Inhalt: Generaldirektor Gerhard Roiss solle sich für eine ordentliche Strafverfolgung des mutmaßlichen Doppelmörders, Ex-Botschafters und nun unter mysteriösen Umständen verstorbenen Rachat Alijew starkmachen. Andernfalls könnte es zu wirtschaftlichen und politischen Problemen kommen.

Inzwischen gibt es Hinweise darauf, dass dieser Schriftverkehr auf Wunsch des kasachischen Geheimdienstes KNB erfolgt sein könnte, der seit Jahren versucht, die Interessen des eigenen Landes mit allen Mitteln auch auf österreichischem Territorium durchzusetzen. Eines dieser Interessen war die Rückführung oder Liquidierung des bis zuletzt undurchsichtigen Rachat Alijew.

Damit konfrontiert, bestreitet Gabriel Lansky, dass er das Schreiben für Kasachstan oder dessen Geheimdienst aufgesetzt hat. Er bezweifelt sogar, dass das Papier überhaupt an die OMV ging. „Ich halte es für möglich, dass einer meiner vielen Mitarbeiter den Brief entworfen hat, er aber nie abgeschickt wurde.“ Genau erinnern könne er sich jedoch nicht mehr. Er selbst habe aber mit niemandem aus der OMV, insbesondere nicht mit Generaldirektor Gerhard Roiss, über das Papier gesprochen.

Verräterische Computerdaten

Der „Presse“ liegen inzwischen die digitalen Fassungen des Schreibens (PDF-Format) und des dazugehörigen E-Mails vor. Nach Auswertung der sogenannten Header- und Metadaten dieser Dateien wurden die Dokumente mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Computern der Kanzlei Lansky erstellt. Und– via E-Mail – an mehrere Personen in der OMV verschickt. Allerdings nicht von Lansky persönlich.

Ebenfalls Teil dieser elektronischen Akte ist ein interner Vermerk der Kanzlei, den eine ehemalige Mitarbeiterin am 4. Oktober 2009 anlegte. Das Dokument enthält das Gesprächsprotokoll eines Treffens mit zwei Kasachen, Ulan Baizhanov und Erzhan Kazihanov. Zumindest einer von ihnen ist offizieller Vertreter des kasachischen Generalstaatsanwalts und – so die Erkenntnisse des österreichischen Staatsschutzes – ranghoher Mitarbeiter des Geheimdienstes KNB, vermutlich sogar Mitglied der Führungsriege.

In dem Gespräch ging es um die Geschäfte der Kanzlei und ein geplantes Engagement der OMV in Kasachstan. Auf Seite zwei ist dazu Folgendes zu lesen: „Herr Kazihanov sagt, er möchte eine klare Stellungnahme österreichischer Entscheidungsträger, und zwar die des Kanzler (sic!) und des Energieministers bekommen. Nur dann wäre er berechtigt, mit den kasachischen Behörden diesbezüglich zu sprechen.“ Es folgt die Passage, die aus aus heutiger Sicht wie das Vorspiel für das zwei Jahre später aufgesetzte OMV-Schreiben erscheint. Da steht: „Gabi (Gabriel Lansky, Anm. d. Red.) sagt, er kann sich vorsichtig bei OMV erkundigen, außerdem wäre das Treffen mit Herrn Andreas Schieder (damals Staatssekretär im Finanzministerium, Anm. d. Red.) in dieser Frage sinnvoll.“

Mit dem Wissensstand von heute ergibt sich also die Frage, ob Lansky – offenbar auf Wunsch der kasachischen Führung und eines KNB-Mitarbeiters – Andreas Schieder oder die OMV in diesem Zusammenhang kontaktiert, vielleicht sogar unter Druck gesetzt hat.

Lansky bezweifelt Echtheit

Schieder, heute Klubobmann der SPÖ im Nationalrat, dementiert das auf Anfrage. Lansky auch. Gleichzeitig bezweifelt der Anwalt die Echtheit des Dokuments und gibt an, dass der Gesprächsinhalt zum Thema OMV in keiner Verbindung zur Causa Alijew stehe – dieser habe sich in der Vergangenheit vielmehr als „geschulter Experte in Desinformationskampagnen durch Urkundenfälschungen“ erwiesen.

Trotz der sehr deutlichen Worte bleiben Zweifel an Lanskys Dementi. Denn auch die digitale Version des Aktenvermerks über das Treffen mit dem KNB-Mann enthält aufschlussreiche Hintergrunddaten aus dem Computernetzwerk der Kanzlei. Angelegt wurde die Datei von einer ehemaligen Mitarbeiterin, die heute Generalsekretärin der Österreichisch-Kasachischen Gesellschaft ist. Der Präsident dieser Gesellschaft ist: Gabriel Lansky.

An der Erstellung des Aktenvermerks war laut Metadaten noch ein weiterer ehemaliger Anwalt der Kanzlei beteiligt. Jemand, der zu solchen Fälschungen fähig ist, braucht erstens besondere technische Fertigkeiten und zweitens tiefe Einblicke in die Organisation und Personalstruktur von Lansky, Ganzger und Partner.

Ermittler uneins

Das Auftauchen der neuen Dokumente ist für den Anwalt jedenfalls unangenehm. Nach wie vor führt die Staatsanwaltschaft Wien nämlich ein Ermittlungsverfahren gegen ihn. Der Vorwurf: Tätigkeit für einen fremden Nachrichtendienst, konkret, den kasachischen KNB. Der gleiche Vorwurf bestand bis vor Kurzem auch gegen Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer. Dieses Verfahren wurde jedoch eingestellt.

Dabei sieht es nun so aus, als ob sich im Verfahren gegen Lansky selbst die Ermittler nicht ganz einig sind. Recherchen ergaben, dass der Aktenvermerk über das Treffen mit den beiden Kasachen auch der Staatsanwaltschaft vorliegt. Aufseiten des Verfassungsschutzes scheint man offenbar der Meinung zu sein, dass die Justiz dieses Indiz bisher zu wenig würdige.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2015)

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