Plastik in der Donau: Bis zu 40 Tonnen jährlich

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Amtliche Studie bestätigt Verdacht, dass in Österreich große Mengen Kunststoff in die Flüsse gelangen. Ergebnisse zeigen auch: Verursacher sind nicht nur die Chemiekonzerne.

Vor einem Jahr hatten sich zwei Forscher der Universität Wien einiges an wenig freundlicher Kritik für die Entdeckung einer unangenehmen Wahrheit gefallen lassen müssen. Seit heute ist es aber sozusagen amtlich bestätigt: In Österreichs Flüssen schwimmt tonnenweise Plastik aller Art.

Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Umweltbundesamts. Projektpartner sind die Länder Wien, Ober- und Niederösterreich, das Umweltministerium und die Universität für Bodenkultur. Nachdem im Rahmen von Recherchen der „Presse“ im Frühling 2014 bekannt geworden war, dass der in Schwechat ansässige Chemiekonzern Borealis Plastikrohstoff, sogenannte Pellets, aus seinem Werk „verloren“ und in die Donau geleitet hatte, wollten es die Behörden doch etwas genauer wissen.

Weitere Untersuchungen notwendig

Das stark vereinfachte Ergebnis lautet: Abhängig von Standort und Berechnungsmethode verlassen jährlich bis zu 40 Tonnen Plastikmüll über die Donau das Land. Verantwortlich dafür sind jedoch nicht nur Verschmutzer aus dem stromaufwärts gelegenen Ausland (Deutschland), sondern hauptsächlich aus Österreich. Welche Verschmutzer? Das weiß man noch nicht. Das Umweltbundesamt empfiehlt jedoch, in Zukunft gezielt nach den Schwarzen Schafen zu suchen.



Insgesamt wurde für die Studie an drei Stellen gemessen: In Aschach an der Donau (Oberösterreich), in Hainburg an Donau (Niederösterreich) sowie direkt am Abwasserkanal der Firma Borealis in Schwechat (siehe folgende Grafik). Sinn der beiden Messstellen an der Donau war es, durch den Vergleich der in speziell entwickelten Filtern aufgefangenen Plastikteile Aussagen darüber treffen zu können, ob die ausgesiebten Partikel und Bruchstücke aus dem Ausland kommen, oder ob sich die Verursacher im eigenen Land befinden.



Und tatsächlich: So, wie es derzeit aussieht, fließt in Hainburg in der Donau deutlich mehr Kunststoff vorbei, als die Messstellen in Oberösterreich registrieren. Allerdings: Da eine langfristige Echtzeitmessung über die gesamte Flussbreite in allen Tiefen nicht möglich ist, mussten die Techniker die Plastikmenge im Wasser auf Basis mehrerer Messpunkte im Wasserstrom und mit Hilfe verschiedener Methoden auf Jahreswerte hochrechnen. Die Ergebnisse dieser Rechenmodelle unterscheiden sich jedoch erheblich.

Für Aschach blieben unterm Strich Werte zwischen 10 und 20 Tonnen Plastik pro Jahr. In Hainburg beträgt die Bandbreite bis zu 40 Tonnen. Und: Auch Borealis in Schwechat verliert trotz der versprochenen Sanierungen der Produktionsanlage nach wie vor Kunststoff über seinen Abwasserkanal. Auch hier schwanken die Werte stark, nämlich zwischen 0 und 0,25 Kilogramm pro Tag, was im denkbar schlechtesten Fall einem jährlich Einleiten von 91 Kilogramm Plastikpellets entspräche.

Messungen während verschiedener Wassersituationen

Die großen Unterschiede bei den Messungen und Berechnungen erklären sich unter anderem auch daraus, dass die Netze der Studienautoren (Maschenweite: 0,5 Millimeter) während unterschiedlicher Wassersituationen in der Donau montiert waren. Ziel war es, die im Jahresverlauf stark schwankenen Durchflussmengen auch im Rahmen der Studie abzubilden und so ein möglichst realitätsnahes Ergebnis zu bekommen.

Bemerkenswert an den Messergebnissen ist, dass sich der Anteil von Plastikrohstoff aus der Industrie immer mehr erhöht, je weiter man in Fließrichtung der Donau nach Osten kommt. Beträgt der Anteil dieser sogenannten Pellets bei Aschach gerade einmal vier Prozent, erhöht er sich bis Hainburg auf 10 Prozent. Die übrigen Typen von Plastik teilen sich auf Folien und Planen, zerriebene Fragmente aus allen möglichen Kunststoffprodukten sowie Fasern auf (siehe Grafik). Die Forscher unterscheiden dabei zwischen Flakes und Fragmenten.

Aber woher stammt der Kunststoff nun wirklich? Präzise Antworten darauf weiß auch die aktuelle Untersuchung nicht. Die Menge des bei Borealis in Schwechat und Donau gespülten Rohstoffes reicht für die erzielten Werte in Hainburg nämlich bei weitem nicht aus. Vielmehr haben die Autoren den Verdacht, dass sowohl die Pellets, als auch der gewöhnliche Plastikmüll zumindest zu einem großen Teil aus Zubringerflüssen der Donau stammen muss.

Entlang dieser Zubringerflüsse wurde eine Vielzahl an Betrieben ausgemacht, die zumindest in der Theorie dafür verantwortlich sein könnten. In Frage kommen vor allem die Flüsse Traun, Pielach, Traisen, Schwechat und Fischa. Neben Herstellern und Verarbeitern von Plastikrohstoff stehen auch eine Reihe von Spülstellen für Silo- und Tankwagen im Verdacht. Dort, so die Vermutung, könnten im Zuge der Reinigung von Lkw-Pellettanks erhebliche Mengen verloren gehen. Das Umweltbundesamt empfiehlt deshalb, auf Basis dieser Grobstudie nun Detailuntersuchungen bei möglichen Verursachern durchzuführen.

Rupprechter unter Zugzwang

Die Studienergebnisse setzen Umweltminister Andrä Rupprechter nun unter Zugzwang. Bereits nach den ersten Veröffentlichungen der „Presse“ über die Plastikverunreinigungen in der Donau hatte die Umweltsprecherin der Grünen, Christiane Brunner, einen neuen Grenzwert für die Einleitung von Plastikteilchen in Kanalisation und Umwelt gefordert. Damals verwies Rupprechter darauf, dass er die Ergebnisse der nun vorliegenden Studie abwarten wolle. Am Donnerstag sagte er, dass ein solcher Grenzwert wohl von Brüssel verordnet werden müsse. Seinen Amtskollegen aus den übrigen Mitgliedsstaaten habe er das bereits vorgeschlagen.

Tatsächlich wird Plastik, an dem Giftstoffe haften können und das die Verdauungssysteme von kleinen Tieren wie Fischen oder Vögeln verstopft, in der Abwasserverordnung wie harmloser Sand als „abfiltrierbarer Stoff“ behandelt. Erlaubt sind 30 Milligramm pro Liter Abwasser. Auf Basis der Daten der Anlage von Borealis in Schwechat errechnete Brunner einen erlaubten Wert von 300 Kilogramm Kunststoffverlust pro Tag. Das entspricht dem Gewicht von 10.000 Plastikflaschen.

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Universität Wien und Umweltbundesamt fanden unabhängig von einander Plastik in der Donau. Dennoch gibt es Unterschiede.

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