Tulln: Kamel-Skelett aus Zeit der Türkenkriege gefunden

Das Kamelskelett wurde im niederösterreichischen Tulln an der Donau ausgegraben.
Das Kamelskelett wurde im niederösterreichischen Tulln an der Donau ausgegraben.Alfred Galik/Vetmeduni Vienna
  • Drucken

Im niederösterreichischen Tulln wurde ein komplettes Kamelskelett gefunden. Es stammt aus der Türkenbelagerung des 17. Jahrhunderts und war unverletzt.

"Als ich in die Grube der archäologischen Ausgrabung geschaut habe, dachte ich: Das gibt es nicht!“, sagt Alfred Galik, Archäozoologe der Vet-Med-Uni Wien. Das war anno 2006. Bei Grabungen im Auftrag des Bundesdenkmalamtes wurden in Tulln bei Bauarbeiten für ein Einkaufszentrum wertvolle Funde entdeckt. Die Archäologen vermuteten, da läge das Skelett eines Pferds oder Rindes, aber Galik erkannte auf ersten Blick: Das muss ein Kamel sein.

„Was macht ein Kamel an der Donau?“, fragte Galik. Einige Jahre später gibt er die Antwort. Das Tier dürfte mit Osmanischen Kriegern in den Jahren der Türkenbelagerung um 1683 nach Tulln gelangt sein. Der Fund ist eine Sensation: Zwar hatte man schon einzelne Kamelknochen bei Wien, in Serbien oder Belgien gefunden. Aber dieses ist das erste komplette Kamelskelett in Mitteleuropa. Dass die Publikation in Plos One heuer genau am 1. April online ging, sorgte zunächst für Verwirrung: Heimische und internationale Medien fragten bei der Vet-Med-Uni an, ob dies ein Scherz sei. Doch das Kamel in Tulln ist echt.

Berittene Krieger der „Kamelerie“

„Es war wahrscheinlich ein kastriertes Männchen. Und kein Lasten-, sondern ein Reittier“, sagt Galik. Denn die Knochen weisen keine krankhaften Veränderungen, wie sie für Lastentiere typisch sind, auf. Im Bereich der Kieferknochen finden sich aber Abnutzungen, als ob ein Zaumzeug getragen wurde. „Die Osmanische Armee hatte ähnlich einer Kavallerie auf Pferden eine ,Kamelerie‘, die auf Kamelen ritt“, erklärt Galik.

Das freigelegte Kamelskelett am Fundort in Tulln.
Das freigelegte Kamelskelett am Fundort in Tulln. Ute Scholz

Auffallend war, dass nichts darauf hindeutet, dass das Kamelfleisch gegessen wurde. Denn das Fleisch der „Wüstenschiffe“ war als Nahrung in der Armee, vor allem in Notlagen, notwendig. „Wir vermuten, dass die Tullner Bevölkerung das Kamel zu sich genommen und als exotisches Tier bewundert hat. Da Nahrung ohnehin knapp war und man nicht wusste, was Kamele fressen, wird es wohl nicht lange gelebt haben. Das tote Tier wurde bei Umbauten eines Wirtshauses  in einer Baugrube vergraben.“

Hybrid aus Dromedar und Trampeltier

Dass das Tullner Kamel mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Zeit der Türkenbelagerung lebte, zeigen weitere Funde in der Grube. Ein sogenannter „Rechenpfennig“ aus der Zeit König Ludwig XIV deutet beispielsweise auf den Zeitraum zwischen 1643 und 1715 hin. Ein Fläschchen aus der „Apotheke zur Goldenen Krone“ aus Wien lag daneben, die gab es von 1628 bis 1665.

Auch an der Form des Schädels konnte das Skelett als Hybrid identifiziert werden.
Auch an der Form des Schädels konnte das Skelett als Hybrid identifiziert werden. Alfred Galik/Vetmeduni Vienna

„Aber wir wunderten uns, dass das Kamel sowohl Eigenschaften eines Dromedars als auch eines Trampeltiers aufwies“, sagt Galik. Die beiden Arten der Altwelt-Kamele können gemeinsam Nachwuchs zeugen. Im Gegensatz zu Maultieren und Mauleseln, Kreuzungen aus Pferd und Esel, können sich sogar die Hybriden weiter vermehren. „Wir hatten großes Glück, dass in dem archäologischen Fund noch verwertbare DNA vorhanden war: Kern-DNA ist sehr selten bei so alten Knochen“, sagt Galik.

Das Team des Instituts für Populationsgenetik um Pamela Burger löste das Rätsel: Die Mutter des Tullner Kamels war ein Dromedar, der Vater ein Trampeltier. Diese Kreuzung heißt Tulu: Das Tier hatte – ähnlich wie Dromedare – einen lang gezogenen Höcker. „Hybriden waren damals nicht ungewöhnlich: Sie sind genügsamer, ausdauernder und größer als ihre Eltern und gut für das Heer geeignet“, so Galik. Der Fund ist übrigens der weltweit erste genetische und archäozoologische Beweis eines Tulu-Hybriden.

 >> Artikel im Fachjournal "Plos One"

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.