Alijew-Prozess: Zwei Staatsanwälte lehnen Richter ab

Die Verteidiger Walter Engler (li.) und Martin Mahrer. Engler erhebt nun schwere Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft Wien.
Die Verteidiger Walter Engler (li.) und Martin Mahrer. Engler erhebt nun schwere Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft Wien.Reuters, H.-P. Bader
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Nächste Eskalationsstufe in der aktuell laufenden Verhandlung: Die Staatsanwaltschaft Wien ruft nach einem neuem Prozessleiter. Grund dafür: Der Richter sei voreingenommen.

Wieder einmal wird der Alijew-Prozess von Entwicklungen abseits des eigentlichen Themas überlagert. Zuletzt war es der „Anwaltskrieg“ zwischen den Staranwälten Gabriel Lansky und Stefan Prochaska: Gegenseitige Vorwürfe wurden medial abgehandelt (Lansky vertritt die Witwen der beiden Männer, die mutmaßlich von Kasachstans Ex-Botschafter Rachat Alijew ermordet wurden, Prochaska verteidigte Alijew). Ab sofort besteht ein neuer Konflikt: Die Bruchlinie verläuft zwischen der Staatsanwaltschaft und dem Gericht. Am Dienstag forderte die Anklage sogar eine Ablöse des vorsitzenden Richters.

Das kam so: Bei Fortsetzung der Verhandlung um das Sterben der beiden kasachischen Banker, Zholdas Timralijew und Aybar Khasenov, las die Rechtsvertreterin des Vaters des ermordeten Khasenov, Verena Haumer (Kanzlei Haslinger, Nagele & Partner), wortwörtlich einen ausführlichen Antrag auf Ablehnung des vorsitzenden Richters, Andreas Böhm, vor. Weil dieser die beiden Angeklagten, Alnur Mussajew und Vadim Koshlyak, (der ehemalige Hauptangeklagte Alijew wurde am 28. Februar erhängt in seiner Zelle aufgefunden) aus der U-Haft entlassen habe, liege Befangenheit vor.

Böhm tue sich durch „Unvermögen“ hervor, den Prozess unparteiisch zu leiten. Ja, er schüre sogar Verschwörungstheorien. Dem schloss sich – bemerkenswerterweise – die Staatsanwaltschaft Wien, vertreten durch Bettina Wallner und Markus Berghammer, an. Wie erwartet wies der Senat den Befangenheitsantrag ab. Kuriosum der Strafprozessordnung: Der Senat entscheidet über sich selbst. Wenig später geriet wiederum die Anklage in Turbulenzen.

Führte die Staatsanwältin Absprachen?

Laut einem Papier, das Koshlyak-Verteidiger Walter Engler vorlegte (dieses Papier wurde vom Richter allerdings nicht zum Gerichtsakt genommen), habe Anklägerin Wallner Vertretern der Kanzlei Lansky mitgeteilt, wie sich Zeugen verhalten sollten, um glaubwürdig zu erscheinen. Dies soll in einer internen Korrespondenz der Kanzlei (voller Name: Lansky, Ganzger und Partner, LGP) vermerkt worden sein.

In diesem mit Jänner 2012 datierten "Wochenbericht" wird eingehend auf die Staatsanwältin eingegangen. Diese gebe "stets auf dezente Art und Weise (...) zu verstehen, worauf die Zeugen zu achten haben, um sich nicht den Angriffen der Verteidigung mit voller Härte aussetzen zu müssen". Die Staatsanwältin erkläre "ausführlich, dass es die Glaubwürdigkeit der Zeugen jedenfalls massiv erhöhen würde, wenn diese einerseits auf ihre gestellten Fragen direkt und zielgerichtet antworten würden, da zu ausführliches Herumreden einerseits die Gefahr birgt, sich zu vergaloppieren, und andererseits der Anschein vermieden wird, die Zeugen möchten Tatsachen oder Umstände, die sie erlebt haben, nicht erzählen", ist dem Schriftstück zu entnehmen, in das die Austria Presse Agentur Einblick nehmen konnte.

Anklage und Opfervertreter dementieren

Weiters wird festgehalten: "Überdies war es der Staatsanwältin auch wichtig uns (der Kanzlei LGP, Anm.) mitzuteilen, dass keiner der Zeugen, sollten sie mit uns als Opfervertreter je Kontakt gehabt haben, dies in der Vernehmung erzählen sollten, da dies - so wie sie sagte - der Glaubwürdigkeit nicht dienlich ist und sie dann gezwungen wäre, dies auch zu werten, was es (O-Ton) jedenfalls zu vermeiden gilt."

Für Verteidiger Engler hat die Staatsanwältin damit gegen das Objektivitätsgebot verstoßen. Er verlangt Konsequenzen, ansonsten werde er eine Dienstaufsichtsbeschwerde einbringen. Ex-Alijew-Vertreter Manfred Ainedter sprach von einer "äußerst bedenklichen Vorgangsweise der Staatsanwaltschaft".

Die Anklagebehörde wies sofort die Vorwürfe gegen die Staatsanwältin zurück. "Diese Äußerungen wurden nie getätigt", teilte Behördensprecherin Nina Bussek mit. Und sie fügte an: "Ein Treffen, wie es hier geschildert wird, hat es so nicht gegeben." Laut Lansky handle es sich bei dem Papier um eine Fälschung. Auch er erklärt: Ein solches Treffen habe es nicht gegeben.

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