Mikl-Leitner: „Müssen auch Tätern Hilfe zukommen lassen“

Mikl-Leitner (ÖVP)
Mikl-Leitner (ÖVP)(c) APA/EPA/JANOS MARJAI (JANOS MARJAI)
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Zur Rechtsberatung soll laut Innenressort auch eine psychische Betreuung der Täter kommen.

Wien/Graz. Nach der Amokfahrt in Graz mit drei Toten und 36 zum Teil schwerst Verletzten hat sich Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) für mehr Auseinandersetzung mit Tätern ausgesprochen. „Wir müssen auch Tätern Hilfe zukommen lassen“, sagte sie am Mittwoch vor Journalisten. Gleich nach der Amokfahrt hatte die Ministerin bereits eine sicherheitspolizeigesetzliche Verankerung einer verpflichtenden Rechtsberatung nach einer Wegweisung angeregt. Im Jahr 2014 wurden insgesamt 7587 Wegweisungen ausgesprochen.

Hinsichtlich des Konzepts „Krisenhilfe für weggewiesene Männer“ des Bewährungshilfevereins Neustart bestätigte Mikl-Leitner, dass es auch eine psychische Betreuung für Täter brauche, um die Gewaltspirale zu beenden. „Hier braucht es eine Ist-Analyse und ein Konzept für ganz Österreich.“

Sonst stand jedoch der Opferschutz, insbesondere von Kindern und Jugendlichen, im Mittelpunkt. Polizeiarbeit sei nicht nur das Aufklären von Verbrechen, sondern auch Opferschutz. Bei der „komplexen Opferarbeit“ würde es etwa darum gehen, Polizisten zu sensibilisieren. Unterstützung dafür biete eine auf wissenschaftlichen Kriterien basierende Checkliste mit einem Ampelsystem, etwa um Fälle von Verwahrlosung oder Vernachlässigung zu definieren. Verwiesen wurde hier auf das Pilotprojekt Marac (Multi-Agency Risk Assessment Conference), bei dem in Fallkonferenzen Behörden zeitnah den Opferschutz zu optimieren versuchen.

Hier komme auch Pädagogen eine Verantwortung zu, ergänzte Familienministerin Sophie Karmasin, die den Leitfaden „Gewalt am Kind erkennen und helfen“ als Mittel zur Sensibilisierung dieser Berufsgruppe hervorhob.

Karmasin betonte, dass Österreich nach Schweden, Norwegen und Finnland 1989 der weltweit vierte Staat gewesen ist, in dem die körperliche Züchtigung von Kindern gesetzlich verboten wurde. „Das ist nicht selbstverständlich, denn in den USA ist das etwa nicht der Fall.“ (m. s./APA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2015)

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