Wohngebiete außerhalb der Kernstadt müssen sozial, kulturell und verkehrsmäßig attraktiver gemacht werden, um die Stadtflucht vor allem junger Menschen zu stoppen.
Wien. Vor zehn, 15 Jahren war der Trend noch eindeutig: Viele Städter, vor allem junge Familien, wollten raus ins Grüne, in den eigenen Garten. „Wir müssen der Stadtflucht einen Riegel vorschieben und das Stadtleben noch attraktiver machen“, sagte die Wiener Planungsstadträtin Maria Vassilakou zu Beginn ihrer Amtszeit 2010. Mittlerweile gibt es tatsächlich einen gegenläufigen Trend: Zwar träumen laut Umfragen immer noch viele vom Häuschen im Grünen, aber das urbane Leben, das städtische Umfeld, ist attraktiver denn je.
Doch wo gibt es Wohnraum? Die bevorzugten Wohnbereiche – vor allem die Innergürtel-Bezirke – sind ausgereizt und teuer, Verdichtung ist zwar möglich, bringt aber nicht allzu viel. Das heißt, man muss auch Bereiche außerhalb der Kernstadt attraktiver machen. Die Wiener Stadtplanung hat im Step, dem Stadtentwicklungsplan 2025, einige Bereiche als Zielgebiete definiert, die verstärkt als Wohngebiete auszubauen sind: Sie haben alle eines gemeinsam, sie liegen entlang der U-Bahnachsen.
Als größere Projekte für die nächsten Jahre ist da das Hauptbahnhof-Areal zu nennen, das unmittelbar an das Stadtzentrum (vierter Bezirk) anschließt. Eine langfristige Entwicklungsachse ist auch der Bereich entlang der U3, das auszubauende Zielgebiet wird unter Erdberger Mais, Aspanggründe, St. Marx zusammengefasst. Neben Aspern, Kagran und Donaufeld (U2-Achse), die nördlich der Donau städtebauliche Zielgebiete sind, ist noch Liesing im Süden zu nennen, das entlang von zwei Verkehrsachsen ausgebaut werden soll: entlang der Südbahnlinie und entlang der U6.
Christoph Chorherr, Planungssprecher der Wiener Grünen, sieht dies so: „So holen wir alles näher an die Kernstadt. Die Vorstadt wird zunehmend zur Stadt – mit dem relevanten Unterschied, dass das Freiraumkonzept in diesen Entwicklungsgebieten generöser ist als in den innerstädtischen Bereichen.“ Das Ziel: Gebiete am Stadtrand sollen attraktiver werden, mittelfristig mit der Stadt zusammenwachsen, und damit sollen die Menschen abgehalten werden, über die Stadtgrenzen hinaus zu ziehen.
Soziales Beleben der Vorstädte
Doch das Hinstellen von Wohnblöcken und die bessere Verkehrsanbindung allein kann es nicht sein. Was in Wien noch fehlt, ist das kulturelle, soziale Beleben dieser „Vorstädte in der Stadt“. Als positives Beispiel wurde zuletzt ein Projekt in Liesing genannt. In der ehemaligen Sargfabrik in der Breitenfurter Straße hat sich ein Theater-Hotspot gebildet – in Eigeninitiative. Dort treten junge Künstler auf, im Juni gab es sogar Produktionen der Wiener Festwochen. So kann auch ein Gebiet am Stadtrand ins Zentrum rücken.
Die Wiederentdeckung der Vorstädte, die Attraktivierung von suburbanen Gebieten, ist übrigens ein Trend, den es seit einiger Zeit in den USA zu beobachten gibt. Da versucht man etwa, sterbende Malls mit neuen Ideen zu beleben und Parkplätze in Grünland umzuwandeln. Die vorstädtischen Dimensionen in den USA sind zwar andere als bei uns, aber auch hierzulande wäre es angebracht, den vorstädtischen Arealen mehr kulturell-soziale Impulse zu geben.
Dann brauchte bald niemand ins Wiener Umland ziehen.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2015)