Sonnengrüße im Schnee

Sechs Bäume, wie man diese Haltung nennt, am Hirschenkogel. Auch wenn sie im Schnee ein wenig wackeln.
Sechs Bäume, wie man diese Haltung nennt, am Hirschenkogel. Auch wenn sie im Schnee ein wenig wackeln.Die Presse
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Der Trend, Yoga mit allem Möglichen zu mixen, hat nun seinen Weg auf die heimischen Berge gefunden: Skifahrer am Semmering können sich seit Kurzem mit Yoga im Schnee aufwärmen.

Just als man meinen möchte, die Mode, Yoga mit allerlei Dingen, auf die im alten Indien wohl nie jemand gekommen wäre, zu kom binieren, stoße langsam an Grenzen, wird man eines Besseren belehrt. Nach Yoga am Surfbrett (Paddle Board Yoga), mit Hunden (Doga), in hängenden Tüchern (Aerial) oder sogar Karaoke zu mixen, nun also Yoga im Schnee.

Richtig im Schnee? Nicht nur im Bergrestaurant, mit Blick auf den Semmering, wie wir das erwartet hätten? „Ja sicher. Wenn das Wetter passt, so richtig im Freien, mit den Matten im Schnee“, erklärt Bettina Wülfrath von den Semmering-Bergbahnen bei der Gondelfahrt auf den Hirschenkogel. Der Wind ist kalt, die Schneedecke an der Bergstation noch rutschig-vereist, tasten wir uns bis zum Liechtensteinhaus bei der Bergstation vor und suchen gute, halbwegs gerade und stabile Plätze für die Matten. Lehrerin Lucia Havlíková instruiert: Ein paar Sonnengruß-Variationen, also Abfolgen aus einfachen Haltungen, die aktivieren, aufwärmen und kräftigen sollen.

Yoga zum Aufwärmen, quasi als eine Art Skigymnastik? In den USA bieten Skiresorts das schon länger an. Und die Amerikaner, Vorreiter, was westliche Yogamoden betrifft, haben natürlich schon ein Label gefunden: Snowga. Eine Mischung aus Skigymnastik und Yoga, praktiziert im Schnee, oft in Kombination mit Skifahren oder Schneeschuhwandern.

Mittlerweile posieren diverse Instagram-Yogis auf Bergen, posten Bilderihrer Asanas im Schnee. Und auch die Chefredakteurin des „Yoga Journal“, Carin Gorrell, gab zu Protokoll, so absurd sei die Idee Yoga im Schnee nicht – betrachtet man all die Kombis aus Yoga und Outdoor-Sportarten, sei das ein weiterer logischer Schritt. Denn passionierte Yogis würden eben überall, wo sie gerade sind, üben wollen.

Yoga als eine Art Skigymnastik. In St. Moritz wurde voriges Jahr sogar die erste eigene Piste für Yogis eingerichtet. „Yoga on Snow“ ist eine Kombination aus Skifahren und Yoga, bei der man immer wieder auf Plattformen stehen bleibt, Übungen macht (die Skier können meist angeschnallt bleiben), bis zur nächsten Plattform weiterwedelt und dort wieder Asanas, die Yogahaltungen, einnimmt.

Urlaubsangebote wie Yoga und Schneeschuhwandern und Ähnliches gibt es hierzulande freilich auch längst, am Semmering bietet nun aber zum ersten Mal ein Skigebiet eigenen Unterricht an der Piste an. Wenngleich Lehrerin Lucia Havlíková das Programm eher traditionell durchgeht. Nach den Sonnengrüßen folgen ein paar Balancehaltungen, Vrikshasana der Baum (siehe Bild), oder Virabhadrasana, die Kriegerhaltungen. Eine spielerische, kurze Einheit. Mit Schuhen an den Füßen ist es trotzdem ungewohnt, die Balance zu finden wird schwieriger als barfuß auf stabilem Grund, immer wieder rutscht die Matte ein wenig, und die ersten Skifahrer, die an der Bergstation aussteigen, schauen dem Treiben neugierig zu. Die Kälte aber macht nichts aus und das Panorama auf die (zumindest ein bisschen) verschneiten Berge und die eisig-frische Morgenluft auf 1340 Metern entschädigen locker für das Gerutsche.

Nach etwa einer halben Stunde ist die Outdoor-Sequenz vorbei, es geht ins Liechtensteinhaus. Dort – der Hüttenbetrieb ist noch nicht losgegangen, es riecht angenehm zitronig, und im Kamin brennt Feuer, leitet Lucia zu Mantragesängen, eingespielt via YouTube, den entspannenden Teil der Einheit an: Erst im Sitzen, dann in Savasana, der Totenstellung am Rücken. Bis die morgendliche Einheit schließlich bei einer Tasse grünem Tee endet.

Was bringt das kurze Aufwärmen im Schnee und die Meditationsübungen Skifahrern? Die Übungen dehnen, stärken die Balance und die Muskulatur, gerade in den Beinen, der Focus auf die Atmung hilft, beim Skifahren die Konzentration zu wahren, erklärt Havlíková. Außerdem soll Yoga, so heißt es von den Snowga-Pionieren, Skifahrern helfen, eine bessere Position zu finden, indem Gelenke mobiler, Muskeln stärker und die Ausrichtung der Wirbelsäule gerader wird. Nicht zuletzt findet man etliche Parallelen zwischen Yoga-Asanas und klassischen Übungen der Skigymnastik – Utkatasana, die Stuhlhaltung, zum Beispiel, eine gute Basis für die Abfahrtshocke. Auch soll die Konzentration auf die tiefe Atmung helfen, ruhiger zu werden – und sich dann vielleicht nicht aufzuregen, wenn sich am Lift einer vordrängt.


Alternativen zum
Skifahren gesucht. Aber es sind nicht nur Skifahrer, denen die Bergbahn-Betreiber vom Semmering Yoga anbieten wollen. Vielmehr entspricht es dem Trend, dass Wintersportgebiete ihr Angebot immer breiter streuen. Längst wollen nicht mehr alle, die kommen, Skifahren, Snowboarden oder eine Skitour gehen. „Immer mehr Leute kommen zum Spazieren, Rodeln, oder sie fahren nur auf den Hirschenkogel, um sich bei einem Bier im Panoramarestaurant die Schneelandschaft anzuschauen“, sagt Wülfrath. „Naturerlebnis“ heißt das Zauberwort. „Unsere Gästebefragung zeigt, dass viele nur wegen der Natur und der Bewegung kommen. Skifahren ist kein Muss mehr. Da ist Yoga eine gute Ergänzung.“

Auch wenn die alten indischen Yogis vielleicht nur milde lächeln würden, angesichts dessen, was ihnen die westlichen Nachahmer da im Schnee oder gar auf dem Surfbrett nachturnen.

Yoga Am Berg

Yoga im Schnee am Morgen (8.30 bis 10 Uhr) bzw. Yoga im Sporthotel (17 bis 17.45 Uhr) findet noch bis Ende März jeweils etwa einmal pro Woche statt. Kosten: 15 bzw. 12 Euro (für Hotelgäste: 10 bzw. 5 Euro) Termine und Anmeldung: semmering.com, ✆02664/8038; info@semmering.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2016)

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