Auf Safari im Seewinkel

Die Graugänse im Seewinkel werden in Kürze mit der Brut beginnen.
Die Graugänse im Seewinkel werden in Kürze mit der Brut beginnen. Die Presse
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Neben vielen anderen Tieren leben im Seewinkel im Burgenland bis zu 360 Vogelarten: Beim Birdwatching und anderen Touren mit den Rangern kann man die Vielfalt aus der Nähe beobachten.

Es kommt einem beim Wort Safari nicht als Erstes in den Sinn, und es ist auch eher nicht die zweite Assoziation: das Burgenland. Dass man hier, im Seewinkel, eine knappe Autostunde von Wien entfernt, auf Safari gehen kann, klingt ein bisschen, nun, vermessen.

Dachte man am Anfang. Am Ende, nach ein paar Stunden im Jeep durch die Tiefebene des Seewinkels, die mit ihren 450 Quadratkilometern unendlich weit wirkt und Lebensraum für eine erstaunliche Vielzahl an Tieren ist, findet man ihn schon wesentlich passender, den Begriff Safari.

Tatsächlich gibt es gleich mehrere, zu denen die Ranger (ja, die heißen wirklich so, und es klingt wunderbar nach Abenteuer) der St. Martins Therme & Lodge in Frauenkirchen jeden Tag mit Interessierten im Jeep oder Kleinbus aufbrechen.

Jetzt, da der Frühling naht, aber der Winter noch nicht ganz vorbei ist, ist die Chance, dabei besonders viele verschiedene Vogelarten zu sehen, groß: Denn viele der sogenannten Wintergäste – Vogelarten also, die im Seewinkel die kalte Jahreszeit verbracht haben, ehe sie wieder Richtung Norden ziehen – sind noch hier. Und die ersten Rückkehrer aus dem Süden – viele auf Durchzug, andere bleiben und brüten – sind bereits da.

Die Entdeckertour beginnt für die Teilnehmer – jeder bekommt leihweise ein Fernglas – nach wenigen Minuten Fahrt durch die flache Landschaft – Felder, Wiesen, gelegentlich ein paar Weingärten – auf dem Campingplatz am kleinen Zicksee, der um diese Jahreszeit naturgemäß verwaist ist. Aber doch nicht ganz so leer, wie man auf den ersten Blick glaubt. „Die Ziesel sind vor wenigen Tagen ungewöhnlich früh aus dem Winterschlaf erwacht“, erzählt Manfred Haider, einer der Ranger und zeigt auf eine Wiese, auf der man zwei Exemplare des europäischen Ziesels sitzen sieht. Dank Fernglas kann man sie – auch wenn der Jeep einige Meter entfernt angehalten hat – sehr genau erkennen.

150 bis 200 Ziesel leben hier im Seewinkel, die meisten auf dem Gebiet des Campingplatzes, eine ungewöhnliche Kombination: Vor Jahrzehnten wurde der Campingplatz direkt über einer Zieselkolonie errichtet, seither leben Sommerurlauber und die Tiere hier in friedlicher Eintracht. Besonders wohl, so Haider, fühlen sich die streng geschützten Ziesel, wenn sie ein weites Blickfeld haben und die Wiesen gemäht sind. So können sie ihre Feinde – wie die Rohrweihe, eine Greifvogelart – besser erkennen.

Haider fährt weiter, der studierte Geograf – alle Ranger sind Naturwissenschaftler – erzählt dabei viel von der Geschichte der Gegend, den (salzhaltigen) Lacken. Immer wieder – und als unkundiger Vogelinteressierter staunt man – zeigt er auf einen auffliegenden oder auf einem Ast sitzenden Vogel und erkennt trotz vieler Meter Entfernung sogleich die Art: ein Blutspecht hier, ein Kiebitz dort (die männlichen Kiebitze sind bereits aus dem Süden zurückgekehrt und suchen sich Reviere, die Weibchen folgen), ein Mäusebussard, eine der häufigsten Greifvogelarten Europas, der eben Beute geschlagen hat. Und immer wieder: viele Wasservögel, von der Kolben- bis zur Pfeifente und viele, viele Gänse.

Über dem Auto steigt ein Trupp Gänse auf. Welche Art das ist? Haider öffnet das Fenster und lauscht. Am Geschnatter der Tiere erkennt der Ranger – der seit Kindheitstagen Tiere in der Natur beobachtet –, dass es sich um Blessgänse handelt. Von diesen gibt es derzeit zwischen 20.000 und 30.000 im Seewinkel, allerdings sind sie Durchzügler (oder Gastvögel), die hier nicht brüten, sondern weiterziehen. Eine „gänsereiche Durchzugszeit“ sei das derzeit, erklärt Haider, bis zu 50.000 Gänse machen hier auf dem Weg in den Norden halt. Nur die Graugänse, die man während der Tour immer wieder in größeren Gruppen (oder Trupps, wie die Experten sagen) durch das Fernglas beobachten kann, bleiben hier: In Kürze, wenn die Brutzeit beginnt, werden sich die Trupps auflösen, etwa 1000 Gänsepaare werden dann rund um den Neusiedler See brüten. In wenigen Wochen werden auch viele Wattvögel, die sich hier in den flachen Lacken wohlfühlen, ankommen: Uferschnepfen, Strandläufer oder Säbelschnäbler.

Insgesamt kommen im Seewinkel 350 bis 360 Vogelarten vor, von den anderen Tieren – derzeit sind paarungszeitenbedingt viele Feldhasen zu sehen – gar nicht zu reden. Natürlich sieht man während einer Tour nur einen kleinen Teil der Tiervielfalt – und doch erstaunlich viel. Bucht man die Birdwatching-Safari, liegt der Schwerpunkt der Tour – die großteils im Auto stattfindet, zwischendurch steigt man immer wieder für kurze Spaziergänge aus, es gibt auch einige Hochstände, von denen man die Tiere beobachten kann – wenig überraschend auf der Vogelbeobachtung. Wer professionelle Fotos machen möchte, ist mit der Fotoguiding-Tour gut beraten.

Der nächste Stopp ist ein ungewöhnlicher für eine Safari, der nur in der kalten Jahreszeit eingeplant wird: Fast am Rand des Nationalparks Neusiedler See-Seewinkel hält Haider den Jeep vor dem Friedhof in Apetlon an. Friedhof? Ja, sagt Haider, denn hier haben sich die Waldohreulen zu einer winterlichen Schlafgemeinschaft zusammengeschlossen: Zwischen November und Februar verbringen die nachtaktiven Tiere die Tage im Schutz der immergrünen, hohen Thujen auf dem Friedhofsareal, wenige Meter über und doch unbemerkt von den älteren Damen, die zur Grabpflege gekommen sind. Man braucht gar nicht lang zu suchen, um die Tiere in den Bäumen zu erkennen: prächtige, kleine Eulen, eine blickt skeptisch auf die Menschen hinunter, die da neugierig zu ihr hinaufschauen. Haider zieht Latexhandschuhe an und bückt sich, um das Gewöll der Eulen – jene Nahrungsreste also, die sie erbrechen – aufzuheben. Zwischen dem Fell der verspeisten Mäuse findet man auch den winzigen Schädel einer Maus.

Seltene Rinder. Im Seewinkel, das eines der trockensten und wärmsten Gebiete Österreich ist, leben – was eher unbekannt ist – auch hunderte Rinder: Das ungarische Steppenrind – eine weiße, früher als Arbeitstier eingesetzte Rasse – und die schwarzen Wasserbüffel sorgen in der warmen Jahreszeit in den Weiten des Nationalparks dafür, dass sich der Schilfgürtel (Wasserbüffel lieben Schilf!) nicht zu weit ins Land hinein ausbreitet und dass es, wie es Haider ausdrückt, nicht zur Verbuschung kommt. Anders gesagt: Die etwa 400 Rinder, die hier auch zum Erhalt dieser seltenen Rassen gezüchtet werden, dienen auch der Landschaftspflege. Noch bis Ende April sind die Tiere im Freiluftrinderstall untergebracht, ab Mai können sie sich in den schier endlosen Weiten des Nationalparks ausbreiten. Über kleine Wege geht es mit dem Jeep zurück zur Lodge. Und das Wort Safari kommt einem plötzlich gar nicht mehr seltsam vor.

Info

Die St. Martins Therme & Lodge bietet täglich mehrere Safaris im Seewinkel an, darunter Birdwatching, Entdeckertouren oder kindertaugliche Familiensafaris. Die Touren mit maximal acht Teilnehmern starten bei der St. Martins Lodge (neben der Therme) und dauern zwischen zwei und vier Stunden. Kosten: ab zwölf Euro für Erwachsene.

Das Programm findet sich unter www.stmartins.at. Telefonisch sind die Ranger unter 0172/ 205 006 71 erreichbar. Reservierung unbedingt erforderlich, die Nachfrage ist groß.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2016)

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