Im Wienerwald, jenseits der Trampelpfade

Im Wienerwald, nahe dem Ursprung der Kalten Wien.
Im Wienerwald, nahe dem Ursprung der Kalten Wien.Die Presse
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Auch in den Hausbergen um Wien findet man sie noch, die Wege, die kaum einer kennt. Vom Hengstl auf das Steinplattl zum Beispiel. Ein wenig schwer zu finden, dafür kann man mutterseelenallein spazieren.

Beim Wienerwald denkt man sich ja schnell einmal, man würde ihn kennen. Zumindest die paar Hügel, die einzelnen Erhebungen, die man in Wien schon Berge und Gipfel nennt, hätte man fast alle schon gesehen, bildet man sich nach ein paar Jahren Wahl-Wienertum gern einmal ein. Und dann steht man da, Wanderführer in der einen, Handy mit Navigations-App in der anderen, irgendwo in der Nähe von Pressbaum im matschigen Märzwald und muss zugeben, dass man keine Ahnung mehr hat, wo man jetzt gerade genau ist.

Man ist irgendwo am Hengstl, ein paar Kilometer südlich von Pressbaum und westlich von Breitenfurt. Und erst beim zweiten Anlauf gelingt es, den richtigen Weg zu finden. Schließlich ist der nicht gekennzeichnet, es soll vom Hengstl auf das Steinplattl gehen – und zwar auf einem Weg abseits der markierten Trampelpfade.


Die lange Suche nach dem Hochstand.
Die Tour ist eine von 40 Ausflugsrouten in der Nähe von Wien, die Alpinist und Autor Wilhelm Burger für seinen neuen Wanderführer „Geheime Gipfel – geheime Wege. In den Wiener Hausbergen“ zusammengetragen hat. Und, die Tour soll ein guter Einstieg ins Wandern abseits der Markierungen sein. Eine Route, „leicht und doch alpin“, mit einer Gehzeit von zweieinhalb Stunden durchs Kerngebiet des Wienerwaldes. Die Tour startet südlich von Pressbaum, von der Autobahnabfahrt Pressbaum geht es erst in Richtung Klausen-Leopoldsdorf, dann ins Seitental der Pfalzau.

Dorthin, wo der Wienerwald schon ein wenig ausschaut wie die Semmering-Gegend. Vorbei an leer stehenden alten Häusern, an herrschaftlichen Villen, an der Alternativ-Kultur-Location Villa Kunterbunt, geht es die Straße entlang, bis auf den höchsten Punkt des Hengstl. Und ja, es ist wirklich der höchste Punkt, nicht der Parkplatz ein paar hundert Meter weiter unten – geht man von dort aus nämlich durch den Schranken und den Forstweg entlang, wird man weit marschieren, ohne den Hochstand, den nächsten Anhaltspunkt in der Beschreibung, zu finden – und irgendwann wird man dann mit Wanderführer und GPS dastehen. . .

Zurück auf den richtigen, den im Buch beschriebenen Weg also. Der führt einen (offenen) Schranken hindurch, durch einen Buchenwald bis zu der Weggabelung am Hochstand, dort rechts vorbei, geht es ein kleines Stückchen steiler nach oben. An einer Hinweistafel der Bundesforste biegt man wieder rechts ab.


Und am Ende der Schneise ein Schatz.
Nun geht es an einem Holzschranken vorbei zu einer Forststraße. Durch einen – an nasskalten Märztagen wie zuletzt noch ganz schön matschigen – Wald, geht es erst hinab, dann hinauf, leichtes Wandern im Wienerwald eben. Nach rund 750 Metern, bei der Kreuzung, geht es dann nach links, nach 500 Metern kommt von unten rechts der rot markierte Weg von Agsbach, nach 250 Metern ist man an einer doppelten Wegkreuzung.

Nach rechts führt die blaue Markierung in Richtung Klausen-Leopoldsdorf. Aber, weil wir den Wienerwald jenseits der markierten Wege erkunden wollen, nehmen wir den anderen. Jenen, der nach links der Waldschneise folgt – wie es in diesem Gebiete viele gibt, die oft gerade von einem Gipfel zum nächsten führen. Und so führt auch diese Schneise direkt bis nach oben, bis zum Gipfelkreuz des Steinplattl. Unscheinbar steht hier auf 649 Metern das kleine Kreuz im Wald – und ist doch ausgestattet, als stünde es auf einem richtigen Berg: Ein Gipfelbuch, ein Steinmanderl, eine steinerne Bank – mit allerdings nur sehr geringer Fernsicht – und sogar einen Schatz findet man am Steinplattl. Genau genommen eine rote PVC-Dose mit Schraubverschluss fürs Geocaching.

Der Abstieg führt wieder die Waldschneise entlang des Ostkamms bis zur blauen Markierung. Dann biegt man steil nach links unten ab, weiter bis zur nächsten Wegkreuzung. Die blaue Markierung führt geradeaus weiter – wir folgen aber dem Forstweg nach links, der zurück zur Straße führt.


Von einem 600er zum nächsten. Wem diese kleine Wanderung zu wenig anspruchsvoll ist, der kann das Steinplattl auch von weiter unten aus angehen – auch eine der Touren, die Burger im Buch beschreibt. Und zwar vom Hengstlberg aus auf das Steinplattl. Diese Tour startet von Klaushäuseln (vom Parkplatz ein Stück nach dem Ortsende auf der linken Seite) aus, nahe dem Ursprung der Kalten Wien, und führt nach einem anstrengenden Anstieg durch einen typischen Wienerwaldgraben auf gleich zwei 600er-Gipfel: den Hengstlberg und eben das Steinplattl.

Auch wenn die zwei Gipfelsiege in den rund vier Stunden Gehzeit nicht mit überragender Fernsicht belohnt werden – Sammler können hier je nach Jahreszeit auf reiche Ernte hoffen, dieser Tage an Bärlauch. Und der Wienerwald, den man meint zu kennen, wird fast zum Urwald. Nur gut, wenn das Navigationsprogramm am Handy dann aushilft, wenn man kurz einmal die Orientierung verliert.

BuchTipp

»Geheime Gipfel – geheime Wege« ist jüngst bei Styria Regional erschienen (160 Seiten, 22,90 Euro).

Autor Wilhelm Burger stellt dort 40 Touren über die Wiener Hausberge, den Wienerwald, das Wechselgebiet und die Kalk(vor)alpen vor. Die Anstiege zu den Gipfeln sind nicht markiert, bisher sind die Einstiege nur Insidern bekannt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2016)

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