In luftiger Höhe in Tulln

201 Stufen führen auf den Baumwipfelweg, ein Wahrzeichen der Garten Tulln.
201 Stufen führen auf den Baumwipfelweg, ein Wahrzeichen der Garten Tulln.(c) Die Presse/Clemens Fabry
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Schaugarten an Schaugarten. Wie fad? Aber nein. Die Garten Tulln ist weitaus familientauglicher, als man vermuten möchte. Wer sich für Pflanzen interessiert, wird hier zufrieden wieder gehen.

Dreißig Meter machen einen gewaltigen Unterschied. Wer die 201 Stufen erklommen hat, wird, ein wenig außer Atem, mit einem Rundumblick belohnt, den man gar nicht lang genug genießen kann. Hier oben, auf dem Baumwipfelweg auf der Garten Tulln, Niederösterreichs bekanntester und größter Gartenschau, in 30 Metern Höhe, blickt man entweder über schier endlose Baumkronen. Oder, auf der anderen Seite, in Richtung Schneeberg. Wer nicht ganz so weit in die Ferne schweift, schaut hinunter auf die Gartenschau – der Überblick von hier oben ist wirklich gut.

Die Sonne knallt zwar an heißen Tagen ein wenig gnadenlos auf die Besucher hier hoch oben, dafür fühlen sich die Wolken fast zum Berühren nah an. Ein Tipp für alle Faulen oder weniger Mobilen: Es gibt auch einen – teilweise verglasten – Lift hinauf auf den Baumwipfelweg.

Und, no na, auch hinunter. Unten gibt es noch viel zu sehen. Mehr als 60 Schaugärten sind hier auf der Garten Tulln angelegt worden – von den hier beschäftigten Gärtnern (die von den Besuchern täglich in der „Gartenpraxis“ befragt werden können), aber auch von „Gastgärtnern“ wie der Apothekerkammer (die einen hübschen Heilkräutergarten angelegt hat) oder Landschaftsarchitekten. Oder, heuer neu, von der Diözese St. Pölten, die für die aktuelle Saison gemeinsam mit Gartendesignern einen Bibelgarten angelegt hat. Was man sich darunter vorstellen kann? Um einen kreisrunden Platz mit vier Zugängen finden sich Pflanzenarten, die in der Bibel erwähnt werden. Granatapfel, Feigen- und Olivenbäume, Lorbeer oder Dattelpalmen. Das mutet durchaus südländisch an. Eine Spiegelwand soll zur Selbstreflexion einladen, in der Lesenische wird, wie es heißt „eine tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Glauben“ angeboten.

Auch an anderen Stellen auf der Garten Tulln gibt es zahlreiche Verweilräume und Rückzugsorte. Neben vielen Bänken und Sesseln (sehr bekannt sind die X-Large-Gartenmöbel, die ein beliebtes Fotomotiv sind) gibt es auch immer wieder Liegestühle (wie etwa im Lesegarten) oder Hängematten. An einem der schönsten Orte der Gartenschau, gleich neben der kleinen Sanddüne, in der zwei Buben optimistisch nach Muscheln suchen, und den Ostsee-Strandkörben, befinden sich zwei Hängematten, umringt von Elefantengras, die man, hat man sie einmal erobert, wohl ungern wieder verlässt. (Zumindest waren sie während des Besuchs ständig besetzt.) Man kann sich aber auch seinen eigenen Rückzugsort suchen: Wenig bekannt, aber erlaubt ist es etwa auch, sich auf einer selbst mitgebrachten Decke auf einer der Wiesen niederzulassen.

Doch noch hat man genug Energie, um weiterzuschlendern. In den Streichelgarten etwa, der, anders als der Name vermuten würde, keine Ziegen oder Kaninchen beherbergt. Hier sollen Besucher die Gräser und Stauden haptisch erfassen. Anders gesagt: die Pflanzen berühren, spüren, statt sie bloß, wie sonst, zu sehen.

Eine nette Idee ist der Schaukasten beim Regenwurmgarten. Klappt man eine der Holztüren auf, lassen sich – auf Augenhöhe – mit etwas Glück Regenwürmer, Asseln und andere Tiere entdecken, die unter der Erde leben. Ein Suchspiel, das nicht nur Kindern gut gefällt.

Überhaupt ist die Gartenschau in Tulln – das mag alle, die hier noch nie waren und nur ein paar hübsch gestaltete Beete erwarten (die es natürlich vielfach auch gibt) – durchaus sehr kindertauglich. Für eine detaillierte Betrachtung aller Schaugärten reicht die kindliche Ausdauer zwar in den meisten Fällen wohl noch nicht.

Das macht aber gar nichts. Nicht nur der eingangs erwähnte Baumwipfelweg ist für Kinder ein kleines Abenteuer, sondern es gibt auch immer wieder Workshops (Anmeldung nicht erforderlich, am Wochenende ist der Andrang aber recht groß), die den Kindern die Natur näherbringen sollen. Zudem gibt es zwei große Spielplatzanlagen. Vor allem der Naturspielplatz ist auch für Erwachsene nett: Spaziert man doch durch den Wald, um zwischendurch die eine oder andere Spielstation auszuprobieren. Zum Beispiel das Zielwerfen: eine Scheibe, auf einem Baumstamm montiert, die man treffen soll. Womit? Nun, mit allem, was die Natur hergibt: Stöcken, Steinen. Oder die Balancierseile, die zwischen die Bäume gespannt wurden.

Wasserspielplatz. Wer nicht durch den Wald hüpfen will, kann gleich zum zweiten Spielplatz gehen, der mit seinen vielen Geräten aus Holz die Kinder eine Zeit lang beschäftigt. Wer Glück hat, ergattert eine Hängematte und kann die Kinder aus einer bequemen Position heraus beobachten. Das kleine Risiko: Ist man hier mit dem Nachwuchs gelandet, kommt man wohl nur schwer – und nicht unbedingt sauberer als zuvor – wieder weg, Stichwort Wasserspielplatz. Glücklicherweise ist die WC-Anlage vom Restaurant „Die Gärtnerei“ nicht weit. Hier kann man einen Kaffee mit bestem Blick auf den Seerosenteich trinken. Bevor man dann die Anlage durch einen – sehr empfehlenswerten – Shop wieder verlässt.

Falls noch Zeit bleibt: Gleich gegenüber findet sich ein kleiner Bootsverleih. Hier kann man sich – Tickets gibt's an der Garten-Tulln-Kassa – ein Kanu oder Tretboot ausleihen (für Kinder gibt es Schwimmwesten) und durch die Wasserarme der Donauauen paddeln. Durch die wild verwachsene Natur. Ruhig, schattig, märchenhaft.

Die Garten Tulln

Die heurige Saison der Garten Tulln (Am Wasserpark 1, 3430 Tulln an der Donau) läuft noch bis 16. Oktober. Geöffnet ist die Gartenanlage täglich von 9 bis 18 Uhr. Tel.: 02272/681 88.

Tageskarten kosten für Erwachsene 12,50 €, für Senioren 11,50 €. Familienkarte: 28 Euro. Kinder unter sechs zahlen keinen Eintritt. Ab 16 Uhr gibt es alle Karten zum halben Preis. Jeden Tag gibt es um 10.30 Uhr eine kostenlose Führung. Infos zu Workshops und Gartenpraxis unter www.diegartentulln.at.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2016)

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