AMS-Wien-Projekt: Flüchtlinge als Firmenchefs

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THEMENBILD: ARBEITSMARKTSERVICE AMS / ARBEITSLOSENZAHLEN /ARBEITSLOSE(c) APA/HERBERT PFARRHOFER
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Das AMS Wien startet im Oktober ein Gründungsprogramm für Flüchtlinge. Dabei geht es nicht nur ums Gründen, sondern auch ums Aufklären.

Wien. Die Situation könnte besser sein. 392.000 Menschen sind derzeit in Österreich arbeitslos gemeldet. Ein Teil davon sind Flüchtlinge, die allerdings meist noch in Schulung sind, das heißt Deutsch lernen und auf den Eintritt ins Arbeitsleben vorbereitet werden. Am Ende steht das Ziel einer Anstellung. Oder doch nicht? Spricht man mit den Asylberechtigen selbst, dann erzählen viele, dass sie zu Hause Unternehmer waren – entweder hauptberuflich oder nebenberuflich ein Geschäft geführt haben.

Bei einer Umfrage des AMS Wien, bei dem die meisten arbeitslosen Flüchtlinge in Österreich gemeldet sind, hat sich herausgestellt, dass sich zehn Prozent der anerkannten Flüchtlinge gern selbstständig machen würden. Das AMS Wien hat nun reagiert. Nach dem Kompetenzcheck wird nun ein neues Programm eingeführt: Step2Business heißt das neue Programm, mit dem Flüchtlingen geholfen werden soll, ein Unternehmen zu gründen.

Durchgeführt wird das Gründungsprogramm vom Institut ÖSB Consulting, das schon jetzt das reguläre Gründungsprogramm des AMS Wien führt. Step2Business startet mit 10. Oktober und ist in drei Phasen eingeteilt. Die erste (und kürzeste) Phase ist eine eintägige Informationsveranstaltung, plus ein persönliches Beratungsgespräch, bei dem die Flüchtlinge informiert werden, welche rechtlichen Rahmenbedingungen es für Unternehmensgründungen in Wien gibt.

In der zweiten Phase, die etwa drei Wochen dauert, wird ein Businessplan erarbeitet und die Geschäftsidee konkretisiert. Die dritte Phase ist die längste Phase, in der der Flüchtling bei der Umsetzung der Idee begleitet wird. „Es ist die individuelle Phase. Da geht es darum, die Menschen zu qualifizieren: Rechnungswesen, Marketing, aber es wird auch um Nostrifizierungsmaßnamen und Befähigungsnachweise gehen“, sagt ÖSB-Consulting-Geschäftsführer Oliver Göstl.

Falsche Vorstellungen

Insgesamt soll das Programm maximal ein Jahr dauern. Das Pilotprojekt ist für 250 Personen angesetzt. Und doch rechnet man damit, dass nur ein Bruchteil danach ein Unternehmen aufsperren wird. „Wir gehen davon aus, dass sich danach 15 bis 20 Personen selbstständig machen werden“, sagt Göstl. Das hätte damit zu tun, dass viele Flüchtlinge eine falsche Vorstellung von Unternehmensgründung in Österreich hätten. „Die Menschen sind fassungslos, wenn sie lernen, dass sie hier 50 Prozent an Abgaben haben. Allein da fallen schon die Ersten weg.“

Ziel des Programms sei es daher auch aufzuklären. „Bei vielen Personen wird eine Gründungsidee wenig nachhaltig sein, sie werden sie vielleicht auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Aber es ist wichtig, mit dem Menschen einmal ernsthaft darüber zu reden“, sagt Göstl. Schlussendlich gehe es auch darum, dass die Menschen wieder „mental den Kopf frei bekommen“, um sich auf eine Anstellung zu konzentrieren.

Ansonsten wird ausgelotet, was möglich ist. Die Ideen reichen jedenfalls von Handwerklichem, Import-Export, Handelsideen bis zum klassischen Friseur. Was schließlich umgesetzt werden kann, hängt auch von den rechtlichen Rahmenbedingungen ab. Stichwort: Gewerbeordnung. Wer als Tischler 20 Jahre in der Heimat gearbeitet hat, kann sich hier trotzdem nicht so einfach selbstständig machen. „Beim klassischen Handwerk ist es sicher schwieriger, da ist halt die Frage, wie stark man mit der individuellen Befähigkeitsprüfung arbeiten kann. Auch wie pragmatisch die Behörden agieren“, sagt Göstl. Sonst müsse das Geschäftsmodell adaptiert werden. Dann müsse ein Schneider in Richtung Textilhandel gehen.

Russisch und Arabisch

Das AMS-Projekt wird vorerst in zwei Sprachen abgehalten. Arabisch – und Russisch. „Die Tschetschenen sind nach wie vor eine große Gruppe“, sagt Göstl, der auch schon für die Wirtschaftsagentur Wien tätig geworden ist. Auch hier hält die Firma Gründungsworkshops auf Arabisch ab.

Das AMS-Projekt ist vorerst auf ein Jahr budgetiert, mit 400 Euro Kosten pro Person. Ist es erfolgreich, wird es erweitert. Denn die Lage auf dem Arbeitsmarkt dürfte angespannt bleiben. „Deswegen gibt es auch Interesse, dass sich die Menschen selbst einen Arbeitsplatz schaffen“, sagt Göstl.

DAS PROJEKT

Mehr zum Thema: Seite 18 Start am 10. Oktober. Nach dem Kompetenzcheck wird nun ein neues Programm eingeführt: Step2Business heißt das neue Programm, mit dem Flüchtlingen geholfen werden soll, ein Unternehmen zu gründen. Start ist der 10. Oktober. Durchgeführt wird das Gründungsprogramm vom Institut ÖSB Consulting, Insgesamt soll das Programm maximal ein Jahr dauern. Es ist für 250 Personen geplant und hat ein Budget von 400 Euro pro Person.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2016)

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