Mit Wasserkanistern auf Zeitreise

Lourdesgrotte in Maria Gugging
Lourdesgrotte in Maria Gugging(c) Erich Kocina
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Viele kommen, um Wasser aus der Quelle zu holen. Die Lourdesgrotte in Maria Gugging kann aber mehr. Ein Blick in den aus der Zeit gefallenen Wallfahrtsort.

Es mag ein Zufall sein, dass das Handy hier nicht geht. Kein Empfang, zeigt es an, sobald man den Eingangsbereich hinter sich gelassen hat. Es passt aber ins Bild. Immerhin wirkt dieser Ort, als wäre man in einer Zeit gelandet, in der Mobilfunk noch nicht einmal Science-Fiction war. Würde man hier ein Foto schießen, müsste man nicht einmal einen Instagram-Filter aktivieren – es würde wohl trotzdem als Aufnahme aus den 1950er-Jahren durchgehen.

Die Zeitreise beginnt schon, wenn das Auto von der B14 in den kleinen Weg abbiegt, der zur Lourdesgrotte von Maria Gugging führt. Wenige Kilometer von Wien entfernt, am Stift vorbei und über die Klosterneuburger Straße in Richtung Tulln findet sich jener Ort. Eine Wallfahrtstätte, die jedes Jahr an die 80.000 Pilger anzieht – und damit die größte der Erzdiözese Wien. An der Herz-Jesu-Statue vorbei führt der Weg zum Parkplatz, vorbei an 15 Tabernakelpfeilern, deren Inschriften von der Witterung schon ziemlich bedient sind. „Gewidmet von den in Wien, N. Österreich und Burgenland wohnenden Katholiken aus Jugoslavien“ ist auf einem zu lesen – datiert mit 1955.

Keine hundert Jahre ist es her, dass Pater Kaspar Hutter hier beim Spazieren einen Felsen entdeckt hat, der ihn an seine Wallfahrt nach Lourdes erinnert hat. Und der in ihm den Wunsch geweckt hat, hier ebenfalls eine Stätte wie in Frankreich zu errichten. Mithilfe von Spenden und freiwilligen Helfern ließ er die Grotte erweitern, ebnete den Platz und stellte eine Marienstatue auf. Am 10. Mai1925 wurde die Stätte schließlich durch den damaligen Bundeskanzler, Prälat Ignaz Seipel, geweiht.

Der Weg vom Parkplatz zur Grotte führt einige Meter bergauf – zur ersten Station, einem kleinen Devotionalienladen. Marienstatuen, Rosenkränze und Postkarten gibt es hier zu kaufen – und die Möglichkeit, in der Kapelle eine Messe lesen zu lassen. Neun Euro würde das kosten. „Falls hier niemand anwesend ist, bitte drüben läuten“ ist auf einem Schild zu lesen. Nein, dieser Wallfahrtsort hat nicht viel vom marktschreierischen Disneylandkommerz vergleichbarer Stätten.


Kein Wasser während der Messe. Neben dem Laden führt der Weg vorbei an einem alten Holzbau, gespickt mit Votivtafeln. Und einem Holzkasten mit Büchlein, die vom Layout und dem Grad der Vergilbung her auch schon ein paar Jahrzehnte alt sein müssen. Und davor öffnet sich schon der Platz, auf dem die Pilger sich zum Gebet einfinden – mehrere Reihen Holzbänke, dazu einige Schirme. Am Ende der Felsen mit der Grotte, darin ein Altar, in einer Nische darüber eine Marienstatue – und über dem gesamten Grottenensemble thront ein Kreuz.

„Bitte während der Gottesdienste kein Wasser entnehmen“ ist an einer Messingtafel angeschlagen. Dieser Hinweis lässt den Blick auf die linke hintere Seite des Platzes wandern. Dort plätschert es aus drei Rohren, die aus dem Felsen schauen. Natürlich, was wäre ein Lourdes-Wallfahrtsort ohne Quelle? Unter Wallfahrern ist die Rede davon, dass das Wasser gegen Augenleiden helfen soll – man möge sich daher damit die Augenlider benetzen. Doch viele Besucher sehen das viel profaner – mit Flaschen, sogar mit Kanistern kommen sie angefahren und holen sich Wasser ab. Für die Kaffeemaschine, erzählt eine Frau, weil man sie dann nicht entkalken müsse. Für das Aquarium. Oder auch nur um es zu trinken, „weil bei uns das Leitungswasser so schlecht ist“, meint eine Frau aus St. Andrä-Wördern, die mit ihrem Sohn 20 Flaschen zu je fünf Litern in ihr Auto schleppt.

All das geht – abgesehen von den Messen – 24 Stunden pro Tag. Und gratis. Ein Arzt, erzählt Frau Christine, die ein Stück weiter unten eine Hütte mit Imbissen betreibt, habe in seiner Praxis das Wasser in einen Spender gefüllt – und verlangt einen Euro pro Becher. Umso angenehmer, dass es hier ohne Marktschreierei zugeht. Und sich die Besucher auf das konzentrieren können, was ihnen wichtig ist. Für die einen mag das eine spirituelle Erfahrung sein, für andere der Kontakt mit dem Wasser. Und wer mit alldem nichts anfangen kann, hat zumindest das Gefühl, eine Zeitreise unternommen zu haben – die Instagram-Fotos muss man halt später hochladen. Wenn man zurück in der Gegenwart ist.

Info

Lourdesgrotte. Hauptstraße 134, 3400 Maria Gugging. Infos zu Gottesdiensten unter: www.mariagugging.at

Anreise. Mit dem Auto über die B14. Von Wien Heiligenstadt fährt der Bus 239 bis zur Grotte.

Einkehr. Waldhof, Hauptstraße 132, Di–So: 10–22 Uhr, ☎ 02243/874 90

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2016)

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