Der Ort, der im Glashaus sitzt

Winzer Josef Umathum auf jenem Acker, der Standort eines 14 Hektar großen Glashauses werden soll. Er sagt, die Bürger hätten ein Recht mitzureden.
Winzer Josef Umathum auf jenem Acker, der Standort eines 14 Hektar großen Glashauses werden soll. Er sagt, die Bürger hätten ein Recht mitzureden.(c) Clemens Fabry
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In Frauenkirchen im Burgenland soll ein 14-Hektar-Glashaus entstehen. Das Projekt eines gut vernetzten Unternehmers droht den Ort zu spalten.

Spar, Billa, Hofer, Penny: Die großen Handelsmarken sind im burgenländischen Frauenkirchen gut vertreten. Das beliebteste Gemüse hier: Paradeiser. Um diese Jahreszeit greifen die Bürger des Wallfahrtsorts im Seewinkel oft zu Produkten aus Spanien. Nur so kommen sie auf einen Jahresverzehr von 28 Kilogramm pro Kopf. Traum eines Großunternehmers aus der Region ist es, dass der Winterbedarf hier und im Rest Österreichs bald aus einem gigantischen Glashaus am Stadtrand gedeckt wird. Wintertomaten aus der Region, das gab es bisher nicht. Doch dem Plan droht ein Ende als Scherbenhaufen. Die ganze Stadt – bis hinauf zum Landeshauptmann – ist in Aufruhr.

Entlang der schnurgeraden Straße nach Podersdorf will der Gemüseindustrielle Werner Perlinger (Umsatzziel 2016: 55 Mio. Euro) eine Ganzjahres-Paradeiserzucht im großen Stil aufziehen. Von Investitionen in Höhe von 29 Mio. Euro ist die Rede. 14 Hektar soll das von einer niederländischen Firma hergestellte Glashaus groß sein. Wiens Stadtpark hat 6,5 Hektar. Unter dem sieben Meter hohen Dach reifen laut Businessplan täglich drei bis vier Lkw-Ladungen Gemüse. Der Strombedarf ist bei Volllast mit jenem von 12.000 Privathaushalten zu vergleichen. Der Wasserverbrauch von 423 Kubikmetern am Tag entspricht dem von 1000 Dreipersonenhaushalten. 80 Menschen werden Arbeit finden.

Während über den gepflügten Acker und Bauplatz ein kalter pannonischer Wind weht, sitzt der bekannte Winzer Josef Umathum im Kostraum seines Betriebs über einem Berg von Unterlagen zum Projekt. „Was hier passiert, das gefährdet die Demokratie.“ Als Sprecher der Bürgerinitiative Freie Sicht auf Frauenkirchen kämpft er gegen die, wie er sagt, „Gemüsefabrik“. Oder präziser: gegen den Standort. Gemeinsam mit dem ebenfalls aus Funk und Fernsehen bekannten „Kaiser der Paradeiser“, dem Biobauern Erich Stekovics, will er die von Gemeinde und Landesregierung beschlossene Flächenwidmung für das Glashaus per Volksabstimmung kippen. Um den Volksentscheid zu ermöglichen, sammeln Umathum, die Apothekerin Karin Hild und Zahnarzt Reinhard Bruck Unterschriften. 690 brauchen sie bis 3. Jänner, und die in Ort und Land „allmächtige SPÖ“ tue alles, um genau das zu verhindern.

(c) Clemens Fabry

In Flugblättern der Partei werden die Kritiker als Lügner bezeichnet, die „tricksen, täuschen und manipulieren“. Der Ton ist alles andere als staatstragend. Auf den Pamphleten prangen die Fotos von Bürgermeister Josef Ziniel und Landeshauptmann Hans Niessl. Der Parteipatriarch war vor Ziniel hier Bürgermeister und wohnt noch heute ganz in der Nähe des geplanten Glashauses.

Druck auf Bürger?

Umathum, die Bürgerinitiative und die im Gemeinderat vertretene Namensliste von Erich Stekovics (Nest) werfen den Regierenden vor, Bürger vom Unterschreiben der Listen mit allen Mitteln abhalten zu wollen. Die Apothekerin Karin Hild, selbst Mitglied in Stekovics' Fraktion, erzählt im Hinterzimmer ihres Betriebs von Kunden, die angaben, nur deshalb nicht für die Volksabstimmung zu unterschreiben, weil sie von der SPÖ unter Druck gesetzt worden seien. Viele hätten Landes- oder Gemeindebedienstete in der Familie. Andere bräuchten Baugenehmigungen oder seien von öffentlichen Aufträgen abhängig. „Die Leute haben Angst“, sagt Hild.

Nur 100 Meter weiter, im Rathaus, kämpft Bürgermeister Josef Ziniel um den Frieden in seiner Stadt. Der Mann, der im Gespräch viel besonnener klingt als in den Texten der ruppigen Flugblätter, schließt aus, dass Bürger unter Druck gesetzt würden, nicht für die Volksabstimmung zu unterschreiben. Im benachbarten St. Andrä habe eine ähnliche Volksabstimmung zu Jahresbeginn, bei der es darum ging, ob sich ein griechisch-orthodoxes Kloster ansiedeln darf, „einen tiefen Keil in die Bevölkerung getrieben“. Als Chef im Rathaus hat Ziniel schon genug Sorgen: Arbeitslosigkeit, geringe Steuereinnahmen, Abwanderung der Jungen. Neue Betriebe jedoch bedeuten neue Chancen. Mit Freunderlwirtschaft, sagt er, habe das nichts zu tun. Aber mit Verantwortung für Frauenkirchen.

Zwölf Kilometer südlich, in Wallern, leitet Werner Perlinger seinen von Glashäusern – was sonst – umgebenen Betrieb und wirkt nervös. Die Verdächtigungen der vergangenen Wochen haben ihn vorsichtig gemacht. Mitarbeiter von ihm sollen unerlaubt Abfälle aus seinen Betrieben auf Äckern verteilt, später jedoch wieder eingesammelt haben. Eine Episode, die Frauenkirchens Bürgermeister als „in dieser Situation nicht gerade vertrauensfördend“, Perlinger selbst als „Versehen“ bezeichnet. Warum ihm, Burgenlands frisch gekürtem Unternehmer des Jahres, ein so starker Wind entgegen weht, könne er sich nicht erklären. Er versichere aber, dass er mit seinem Projekt alle Auflagen einhalten werde. Mehr wolle er derzeit nicht sagen. Nur soviel: „Der Umathum, der ist gefährlich.“ Warum? „Jetzt muss ich vorsichtig sein.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2016)

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