Es braucht beides: „Polizei und Sozialarbeit“

Symbolbild Jugendliche
Symbolbild Jugendliche(c) Clemens Fabry
  • Drucken

Wer einmal im Gefängnis landet, muss sich danach wieder sein Leben in Freiheit aufbauen. Doch dafür braucht es ein Netzwerk – und Helfer, die zusammenarbeiten.

„Ich finde, man darf die zwei Gruppen nicht gegeneinander ausspielen. Es braucht beides“, sagt Andreas Zembaty. Polizeiarbeit und Sozialarbeit. Der eine kann leisten, was der andere nicht kann. Nur gemeinsam können sie jene Menschen, die vom Weg abgekommen sind, wieder auf diesen zurückführen.

Zembaty ist der Sprecher des Bewährungshilfevereins Neustart, der in ganz Österreich tätig ist. Im Fall von Lorenz K., der wegen des Verdachts, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, festgenommen wurde, ist Neustart selbst betroffen. K. ist ein Kleinkrimineller und war auf Bewährung frei. Wenig kann Sprecher Andreas Zembaty zu dem Fall sagen. Nur so viel. Es hätte keinen Hinweis darauf geben, dass der junge Mann Gruppierungen wie den IS verherrlicht hätte. „Hätten wir etwas bemerkt, hätten wir das freilich sofort gemeldet“, sagt Zembaty. Gerüchte, dass er sich während der Haft radikalisiert haben soll, stimmen „Presse“-Informationen zufolge nicht.

Ohnehin hat die Justiz schon längst reagiert und mit dem Verein DERAD eine Gruppe von Sozialarbeitern und Islamexperten in die Gefängnisse geholt, die als Gesprächspartner für die Häftlinge dienen soll. Wobei Zembaty überzeugt ist, dass es nicht an Gefängnissen per se liege, wenn sich Menschen darin radikaliseren. „Die Mitarbeiter dort leisten hervorragende Arbeit“, sagt er. Allerdings können Gefängnisse Häftlinge nicht auf das Leben danach vorbereiten. Doch genau das ist es, was langfristig einen Rückfall verhindert. Wenn Netzwerke wie Familie und Freunde und Grundbedürfnisse wie Job und Wohnen gesichert sind. „Es hört sich vielleicht seltsam an, aber für uns ist nicht der Tag der Entlassung entscheidend, sondern das Konzept, das es für die Entlassung gibt“, sagt er.


Alle an einem Tisch. Bei Jugendlichen organisiert der Verein mittlerweile eine Entlassungskonferenz. Wo sich Behörden, Familie und Sozialarbeiter zusammensetzen, um zu diskutieren, wie es mit dem Häftling weitergeht. So soll die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls minimiert werden. Auch bei Jugendlichen, die sich radikalisiert haben. Denn das alte Stereoptyp, dass Bewährungshelfer gegen die Polizei arbeiten und umgekehrt, sagt er, sei ein Bild aus längst vergangenen Tagen. Die Zusammenarbeit gehöre aber noch weiter gefördert. „Weil wenn die Behörden an der Abschiebung eines Jugendlichen arbeiten und wir an der Suche nach einem Job, dann passt das nicht zusammen.“

Helfer nach der Haft

Der Verein Neustart ist in ganz Österreich für die Bewährungshilfe zuständig. Auch wenn man meinen mag, dass die meisten Menschen auf Bewährung frei kommen, sind es laut Neustart-Sprecher Zembaty nur 25 Prozent.

Wird keine Bewährungshilfe vereinbart, muss der Ex-Häftling auch nicht mit Sozialarbeitern zusammenarbeiten. Er ist dann auf sich und sein Umfeld gestellt. Naturgemäß ist Zembaty von der Notwendigkeit von Bewährungshilfe überzeugt. Nur 30 Prozent der Straftäter mit Bewährungshilfe würden rückfällig. Bei Menschen, die keine Bewährungshilfe bekommen, liegt der Anteil bei 80 Prozent, heißt es bei Neustart.

Die Aufgaben der Sozialarbeiter umfassen die Grundbedürfnisse des Ex-Häftlings. Sie helfen beim Finden einer Wohnung, eines Jobs. Auch bei Problemen mit der Familie. Die Hauptaufgabe, sagt Zembaty, liege aber im Aufarbeiten des Deliktes. Damit unter Stress und Druck nicht das gleiche wieder passiert. Das kann ebenso Psychotherapie bedeuten wie Anti-Gewalttrainings, in denen mit den Tätern gearbeitet wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.