Mutproben warten über der Stadt

Die von Zaha Hadid konzipierte Bergiselschanze, die durch ihre Beleuchtung nachts fließend die Farbe ändert, ist in Innsbruck von fast überall aus zu sehen.
Die von Zaha Hadid konzipierte Bergiselschanze, die durch ihre Beleuchtung nachts fließend die Farbe ändert, ist in Innsbruck von fast überall aus zu sehen.(c) Schütze / akg-images / picturedesk.com
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Stadterkundung mit extremsportlichem Hintergrund: In Innsbruck muss man auf die Nordkette und die Bergiselschanze hinauf.

Keine andere größere Stadt ist mit den Alpen derart verbunden wie Innsbruck, außer vielleicht Chamonix. Klar, wo sich doch zur einen Seite die steile Nordkette aufbaut und zur anderen sich der Patscherkofel und die Axamer Lizum in die Höhe stemmen.

Man bemerkt die Nähe vom Menschen zum Berg aber schon am Streetstyle: Höhere Dichte an Sportgeschäften, höheres Aufkommen von entsprechend Ausgerüsteten als in anderen Landeshauptstädten, geschweige denn in Wien. Manche Studenten wählen Innsbruck sogar nicht wegen einer bestimmten Fakultät, sondern wegen der sportlichen Möglichkeiten – sprich man marschiert in der Skijacke auf die Uni und fährt zwischen den Proseminaren schon schnell einmal auf die Seegrube (und bleibt dort).

Viel Zeitverlust hat der Spontane dabei ja nicht: Die Hungerburgbahn verbindet die Stadt mit dem steilen Ski-, Downhill- und Ausflugsgebiet in null Komma nix – die erste Station liegt zentral beim Congress, die zweite nah beim großen Hofgarten, die Ausstiegsstelle am Hochplateau der Hungerburg, wo das noble Innsbruck in Villen wohnt. (Tipp: Direkt bei der Hungerburgstation Löwenhaus liegt das Austria Trend Hotel – gute Küche, feine Aussicht.) Die neue Trasse und Stationen der 2007 neu errichteten Bahn tragen die Handschrift von Zaha Hadid: Dächer mit charakteristischen organischen Formen und runden Glaspaneelen. Ein Teil der Trasse des Schrägaufzugs steht noch, ein schmales Viadukt, das angeblich einen bekannten Tiroler Freerider zu dem Extremstunt herausforderte, darauf herunterzufahren (unter keinen Umständen ausprobieren!).

Weitere Mutproben starten weiter oben, nach der Auffahrt mit der Gondel auf die Seegrube und dann noch einmal weiter zum Grat des Hafelekars. Hier treffen sich die Freerider bis zum letzten Fuzerl Schnee im abschüssigen Gelände.

Einkehr. Es geht noch wilder: Im Sommer lassen sich hier die Downhiller mit der gleichen Begeisterung die Hänge bis zur Hungerburg hinunter, auf einem Trail, den mancher Wanderer verweigern würde. Dem Zaungast empfiehlt sich jedenfalls die Einkehr in das Gasthaus bei der Station – ein Bau im Stil der Tiroler Moderne von Architekt Franz Baumann.

Eine nicht minder exponierte Angelegenheit ist der Besuch der Bergiselschanze auf den anderen Seite der Stadt, auch hier kam Anfang der 2000er Zaha Hadid zum Zug. Anstatt sich da oben im Turm gleich ins Panoramarestaurant zu setzen, könnte man bei einer Führung nachvollziehen, was für eine bizarre Optik der Skispringer hat, wenn er beim Anlauf der Schanze auf dem Zitterbalken sitzt. Die Ski in der Spur, den Blick auf ein geradezu abstraktes Gefälle, trichterartig der Zuschauerraum – und direkt im Blickfeld: der Friedhof von Stift Wilten. Im Sommer sind auf der Schanze Matten aufgelegt, und ehemalige Skispringer zeigen, was hier an Höhe und Weite möglich ist.

Auch die zwischen Nordkette und Bergisel eingeklemmte Stadt birgt spannende Seiten: Im Zentrum stehen mittelalterliche Bauten von großer Gebäudetiefe, rundherum mischt sich moderne Architektur wie etwa das Kaufhaus Tirol (David Chipperfield) in das Gründerzeitliche, längst verwächst die gar nicht mehr ländliche Umgebung mit dem Kern.

Auf die kleinsten Details hingegen wird man aber dann bei einer originellen Stadtführung hingewiesen: Jeder bekommt ein Swarovski-Fernglas in die Hand gedrückt und kann die Zeichen und den Zierrat der Architektur heranzoomen. Erstaunlich, was man da allein auf einer einzelnen Innsbrucker Fassade entdeckt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2017)

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